Ein Jahr Sicherheitskonzept: Kein Allheilmittel gegen Kriminelle
Frankfurt/Main (dpa) - Das Sicherheitskonzept hat die Gewaltprobleme im Fußball nicht weggewischt - aber doch einiges auf den Weg gebracht bei Bundesliga-Vereinen und Fans.
Ein Jahr nach der Verabschiedung des umstrittenen Papiers hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) eine zurückhaltende Bilanz gezogen. „Insgesamt glaube ich, dass wir zusammen mit dem DFB große Anstrengungen umgesetzt haben. Aber Auswüchse wird es auch zukünftig geben“, sagte DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig bei einer Pressekonferenz in Frankfurt/Main. „Wir sind keine Traumtänzer. Wir brauchen die Politik, die Polizei, die vernünftigen Fans, die Vereinsvertreter.“
Gegen organisierte Gewalttäter sieht die DFL weiterhin wenig Handhabe. „Es ist eine irrige Annahme zu glauben, dass wir mit den heutigen Maßnahmen diese Vögel erreichen“, sagte Rettig. „Das eine sind Fans, das andere sind Kriminelle. Die werden wir mit keinem Konzept der Welt erreichen.“
Der frühere Bundesliga-Manager verwies auf eine Marktforschungsstudie, wonach sich 96 Prozent der Stadionbesucher sich sicher fühlen. Strukturell habe sich vieles in der Fanarbeit verbessert. Zum Beispiel bei der Qualität des Ordnungsdienstes, der künftig sogar zertifiziert werden soll, und beim Spieltagreporting. Darin werden Ausschreitungen festgehalten und bewertet. Es sei für die DFL unglaublich schwierig, sich ein Bild von den tatsächlichen Ereignissen vor Ort zu schaffen. „Wie wollen am Ende friedliche Spiele haben und wissen: Wo sind die Störer?“, erklärte Rettig. Wenn die Vereine diese ermitteln, kommen sie unter Umständen auch um Kollektivstrafen herum.
Die DFL und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) unterstützen die Fanarbeit inzwischen mit über 10 Millionen Euro im Jahr. Der Ligaverband startet jetzt ein „Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur“ (PFiFF). Dafür stehen 500 000 Euro zur Verfügung, unter anderem für Programme gegen rechtsextreme Tendenzen in der Fanszene. Das Sicherheitskonzept war am 12. Dezember vergangenen Jahres vom Ligaverband beschlossen worden - nach wochenlangen Protesten und bundesweiten Debatten.
Michael Gabriel, der Leiter des bundesweiten Koordinationsstelle für Fanprojekte, lobte in einem dpa-Interview den Profifußball - nimmt aber die Politik in die Pflicht. „DFB und DFL haben ihre Ankündigungen für ihren Bereich konsequent umgesetzt. Fan-Organisationen sind in alle Arbeitsgruppen integriert worden“, sagte er. Die Fanprojekte verfügten über mehr Mittel. In Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sei jedoch dringend mehr Geld nötig. Die KOS betreut 54 Fanprojekte an 49 Standorten. „Der Fußball ist seiner Verantwortung gerecht geworden. Da sollte die Politik in diesen drei Ländern nicht hinten anstehen“, sagte Gabriel.
Dass in den Stadien nach wie vor an jedem Wochenende die verbotene Pyrotechnik brennt, hat für den KOS-Chef den Charakter „von Trotz und etwas Widerstand“. Er plädierte dafür, dass die Clubs die friedlichen Anhänger stärken: „Diese Fans sollten nicht nur auf der Tribüne sitzen und meckern, sondern - Stichwort Fanbeirat oder Fanparlament - dabei unterstützt werden, dass sie sich einmischen.“
Für Christian Bieberstein, Sprecher der Fan-Organisation „Unsere Kurve“, wird das Problem immer mal ansteigen und wieder abebben. „Es wäre wünschenswert, wenn man darüber ergebnisoffen reden könnte mit den Verantwortlichen bei DFB und DFL“, sagte er der dpa. Hintergrund ist eine Dauerdebatte um kontrolliertes Abbrennen von Feuerwerk in den Stadien, was DFL und DFB aber rigoros ablehnen.
Für Bieberstein hat sich im vergangenen Jahr „bei dem einen oder anderen Verein etwas geändert, aber insgesamt nicht viel“. Der größte Konflikt bestehe zwischen den Fans und den Polizeigewerkschaften. „Das ist leider ernüchternd. Aber so lange Herr Wendt weiter populistische Äußerungen von sich gibt, ist ein vernünftiger Dialog nicht möglich“, sagte er. „Hier wäre es wünschenswert, dass Politik, DFL und DFB mal einschreiten, damit man das Thema endlich auf eine sachliche Ebene runterholen kann.“ Rainer Wendt, der Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hatte in der Sicherheitsdebatte immer wieder markige Worten gefunden.