Schalke 04 - Borussia Dortmund „Erwin“ hat’s nicht böse gemeint

Lustiges Finale eines turbulenten Derbys: Das Maskottchen des FC Schalke 04 zückt die Rote Karte. Schiedsrichter Felix Zwayer findet es gar nicht lustig.

Foto: dpa, Witters

Gelsenkirchen. Der Mann war nassgeschwitzt, die Haare klebten auf der Stirn. Und sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass ihn das 1:1 (0:0) im 150. Revierderby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund seelisch und körperlich mitgenommen hatte. Holger Becker wollte eigentlich nur schnell raus aus der Schalker Arena. Schließlich hatte er, das menschliche Innenleben von Vereinsmaskottchen „Erwin“, für viele Lacher auf der einen, aber auch für Unverständnis und Ärger auf der anderen Seite gesorgt.

„Erwin“, das Schalker Maskottchen, zu seiner Aktion mit der Roten Karte

Die große Plüschfigur hatte Felix Zwayer unmittelbar nach dem Abpfiff demonstrativ die Rote Karte gezeigt, die von irgendwoher auf den Rasen geflattert war. „Das war überhaupt nicht böse gemeint. Ich wollte sie ihm zurückgeben und würde es nie wagen, eine Schiedsrichter-Entscheidung zu kritisieren“, sagte er im Vorbeigehen und war sich offenbar keiner Schuld bewusst.

Allerdings hatte Zwayer weniger Verständnis für diese vermeintliche Meinungsäußerung und fertigte einen Sonderbericht an. Zu einem „schwebenden Verfahren“ wolle er sich nicht äußern, sagte der Schiedsrichter. Becker alias „Erwin“ könnte also noch Ungemach durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) drohen, ein Novum in der Bundesliga-Geschichte.

Diese eine Szene in der Nachspielzeit hätte die Schalker trotz über weite Strecken deutlicher Unterlegenheit und zwischenzeitlichem Rückstand durch Pierre-Emerick Aubameyang (53.) tatsächlich noch auf die Siegerstraße führen können. Nach einer Hereingabe in der Nachspielzeit sprang BVB-Verteidiger Marc Bartra im Dortmunder Strafraum der Ball vom Fuß an den weit nach oben ausgestreckten Arm. Ein Fall, der sämtliche Experten irritierte und zu keiner einheitlichen Meinung kommen ließ. Zwar besagt die Regel, dass es sich nicht um ein absichtliches Handspiel handelt, wenn der Ball von einem Körperteil abprallt und von dort direkt gegen den Arm des Spielers springt. Allerdings stellte sich in diesem speziellen Fall die Frage, ob der Spanier aufgrund der großen Entfernung zwischen Fuß und Arm nicht doch noch hätte reagieren können.

Die Schalker hatten jedenfalls eine eindeutige Meinung zur „Causa Bartra“. Markus Weinzierl echauffierte sich derart an der Seitenlinie, dass der vierte Schiedsrichter trotz vehementen körperlichen Einsatzes große Mühe hatte, den Trainer am Betreten des Spielfeldes zu hindern. Weinzierl wurde daraufhin von Zwayer auf die Tribüne verbannt, was ihm in jedem Fall eine Strafe der DFB einbringen wird.

Immerhin einen Punkt konnten die Schalker trotz ihrer gefühlten Benachteiligung nach einer spielerisch limitierten, aber kämpferisch überzeugenden Leistung für sich verbuchen. Und die Klub-Verantwortlichen dürften sich besonders darüber gefreut haben, dass das 20 Jahre alte Verteidiger-Talent Thilo Kehrer, das wie so viele außergewöhnliche Spieler in den vergangenen Jahren aus der vereinseigenen Knappenschmiede stammt, mit seinem ersten Bundesliga-Treffer zum Ausgleich (77.) seine starke Leistung krönte. Kehrer hatte es erst vor kurzem geschafft, sich in die erste Elf zu spielen.

Die Schalker liegen derzeit nur noch drei Punkte entfernt von einem Tabellenplatz, der zur internationalen Teilnahme berechtigt. Jetzt haben sie wieder gute Chancen, eine Saison zu retten, die bereits völlig verkorkst zu sein schien. Und auch „Erwin“ darf Hoffnung haben. Sollte das Maskottchen tatsächlich zu einer Geldstrafe verurteilt werden, dann „werden wir Spieler uns sicher was einfallen lassen und ihn unterstützen“, kündigte Schalke-Angreifer Guido Burgstaller mit einem breiten Lächeln an.