Revier-Derby als Comic Erwin und der maskierte Vollstrecker erregen die Gemüter
Gelsenkirchen (dpa) - Am Ende wirkte das Revierderby wie ein einziger Comic. Auch ohne fußballerische Klasse war der Ruhrpott-Klassiker wieder einmal hochemotional.
Der maskierte Vollstrecker Pierre-Emerick Aubameyang wollte seinen dreisten PR-Jubel nach dem 1:1 (0:0) von Borussia Dortmund bei Schalke 04 als kindliche Spielerei abtun. Dagegen musste das zwei Meter große Schalker Plüsch-Maskottchen Erwin feststellen, dass Schiedsrichter offenbar keinen Spaß verstehen.
„Das Maskottchen stellt den Schiedsrichter vor allen Zuschauern bloß. Das geht gar nicht nicht, da muss der Verein Konsequenzen ziehen“, sagte der frühere Bundesliga-Referee Thorsten Kinhöfer als „Bild“-Experte und forderte einen Innenraum-Ausschluss für Holger Becker. Der steckt im Kostüm des Erwin und hatte dem Unparteiischen Felix Zwayer nach einem nicht gegebenen Handelfmeter in der Nachspielzeit eine Rote Karte unter die Nase gehalten. Das sei „eine Sache für den Kontrollausschuss“, meinte Sky-Experte Peter Gagelmann. Zwayer notierte den Vorfall, ob es zu einer Verhandlung und möglichen Strafe für Erwin kommt, ist noch offen.
Christian Heidel hält die Hysterie derweil für maßlos übertrieben. „Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen. Man muss auch mal lachen können“, sagte er mit einem Kopfschütteln: „Hoffentlich wird er vom DFB vorgeladen. Dann gehen wir in die mündliche Verhandlung - dann erscheint er im Kostüm vor Gericht.“ Becker entschuldigte sich nach eigener Aussage inzwischen bei Zwayer.
Wegen einer Verkleidung muss derweil auch BVB-Torjäger Aubameyang Konsequenzen fürchten, und zwar durch den eigenen Verein. Wie üblich in Revierderbys bejubelte der Gabuner sein Tor zum 0:1 (53.) mit einer Maske, nach Batman und Spiderman fungierte er diesmal aber als „The Masked Finisher“. Eine unverhohlene PR-Aktion für seinen Privatsponsor Nike, für den er kürzlich in einem Werbespot als jene Figur aufgetreten war.
Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke fand das gar nicht zum Lachen. „Darüber werden wir noch mal reden. Dann wird es etwas schwieriger für ihn“, sagte er und kritisierte auch den Rivalen des BVB-Ausrüsters Puma: „Wenn der Mitbewerber sonst keine Aufmerksamkeit erregen kann, muss er es eben so machen.“
Auch einen Tag später hatte sich Watzkes Ärger noch nicht gelegt. „Es kann nicht sein, dass Nike auf diese Weise versucht, ökonomische Interessen durchzusetzen“, klagte er im „Kicker“. Schon vor vier Wochen hatte Aubameyang für Unmut gesorgt, als er nach der Präsentation eines neuen Schuhs mit einem Nike-Logo im Haar auftauchte. In diesem Fall ließen es die BVB-Offiziellen noch bei einer Ermahnung bewenden.
Trainer Thomas Tuchel und Sportchef Michael Zorc schützten dagegen Aubameyang und kritisierten stattdessen die Medien. Die Diskussion sei „scheinheilig“, erwiderte Zorc. Tuchel erklärte: „Ich finde es heuchlerisch, daraus eine arrogante Geste zu machen.“ Auch Aubameyang mimte das Unschuldslamm. „Ich arrogant?“, schrieb er bei Instagram: „Kommt schon, Jungs. Ich bin wie ein Kind, das es genießt, Fußball zu spielen.“
Nach dem Ausgleich durch das erste Profitor von Thilo Kehrer (77.) rutschte der BVB aber acht Spieltage vor dem Saisonende auf Rang vier ab und droht, die direkte Qualifikation für die Champions League zu verspielen. „Wir sind nicht mega enttäuscht, aber es herrschte keine Jubelstimmung in der Kabine“, verriet Zorc. Der Respekt vor den vorbeigezogenen Hoffenheimern ist ausgesprochen groß. „Mulmig ist uns noch nicht, aber Hoffenheim ist kontant gut und spielt nur auf einer Hochzeit“, meinte Nationalspieler Julian Weigl.
Watzke dagegen fühlte sich zumindest wie der moralische Sieger und verteilte eine Spitze in Richtung des weiter um 13 Punkte abgehängten Erzrivalen. „Wenn die Schalker von ihren Fans nach einem Unentschieden zu Hause gegen uns frenetisch gefeiert werden, sagt das viel über die aktuellen Kräfte-Verhältnisse aus“, sagte er: „Das entschädigt mich ein bisschen.“