Flache Hierarchien: BVB setzt auf Teamgeist
Bad Ragaz (dpa) - Beim deutschen Fußball-Meister aus Dortmund ist kein Nachfolger von Leitwolf Nuri Sahin in Sicht. Doch „Platzhirschdenken“ ist sowohl Trainer Jürgen Klopp als auch Sportdirektor Michael Zorc ohnehin fremd.
Sie setzen auf flache Hierarchien und mehr Konkurrenzdruck.
Mit der Idylle im sogenannten Heidiland war es schlagartig vorbei. Blitz und Donner brachten die Profis von Borussia Dortmund um das erhoffte Abenteuer. Das heftige Gewitter über der Ferienregion in der Ostschweiz machte Jürgen Klopp einen Strich durch die Rechnung. Zum Verdruss des Trainers musste das als teambildende Maßnahme geplante Canyoning mit Abseilen, Schwimmen, Springen und Klettern durch eine nahe gelegene Schlucht abgesagt werden. Manndecker Neven Subotic war untröstlich: „Es wäre das erste Mal gewesen, dass wir in der neuen Saison etwas gemeinsam machen - außer Fußball zu spielen.“
Doch an mannschaftlicher Geschlossenheit mangelt es dem BVB auch ohne die Erlebnistour nicht. Trotz der knallharten Vorbereitung im Trainingslager von Bad Ragaz mit zum Teil drei Einheiten am Tag geht es beim deutschen Meister wie schon in der vorigen Saison überaus harmonisch zu. An der stimmungsfördernden homogenen Altersstruktur des Teams hat sich auch durch die vier neuen Profis Ilkay Gündogan (20), Chris Löwe (22), Ivan Perisic (22) und Moritz Leitner (18) wenig geändert. „Es ist uns auch diesmal nicht gelungen, mit unseren Zugängen den Altersdurchschnitt anzuheben“, scherzte Sportdirektor Michael Zorc.
Der Star ist das Team: Anders als vielen Ligakonkurrenten fehlt es der Borussia an einem Leitwolf. Nach dem Wechsel von Nuri Sahin zu Real Madrid setzt der BVB mehr denn je auf flache Hierarchien. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist zuversichtlich, den Verlust von Regisseur Sahin kompensieren zu können: „Was bringt es, sich jeden Tag vor Augen zu führen, wie wertvoll er gewesen ist. Abhängig dürfen wir von keinem Spieler sein.“ Sportdirektor Zorc sieht es ähnlich: „Derartiges Platzhirschdenken ist uns fremd.“
Stattdessen setzen Watzke, Zorc und Klopp auf höheren Konkurrenzdruck innerhalb des Kaders. Vor allem im Mittelfeld herrscht dichtes Gedränge. In Sven Bender, Sebastian Kehl, Kevin Großkreutz, Mario Götze, Shinji Kagawa, Jakub Blaszczykowski, Gündogan und Perisic kämpfen namhafte Profis um einen Stammplatz. Die gewachsene Auswahl ist ganz im Sinne von Klopp: „Ich glaube, dass unser Kader noch stärker geworden ist.“
Erste Fortschritte bestärken den Fußball-Lehrer in seiner Einschätzung. Beim 6:1 (2:1) im Test gegen den Schweizer Zweitligisten FC St. Gallen am Dienstagabend präsentierte sich sein eigentlich müdes Team erstaunlich spielfreudig. Obwohl der Trainer in der Halbzeit erneut komplett durchwechselte, agierten beide Formationen auf ähnlich hohem Niveau. „Ich habe schon viel von dem erkannt, was wir uns in den vergangenen Tagen erarbeitet haben“, lobte Klopp.
Einzig der mit 5,5 Millionen Euro teuerste Zugang Perisic hat noch keine Bindung zum Spiel gefunden. Wie schon beim 1:1 gegen den FC Zürich trat der vom FC Brügge zum BVB gewechselte offensive Mittelfeldspieler auch im Duell mit St. Gallen kaum in Erscheinung. Das knallharte Programm von Klopp in Bad Ragaz macht dem Kroaten nach eigenem Bekunden mächtig zu schaffen und nimmt ihm momentan die Spritzigkeit vergangener Tage: „Nie zuvor habe ich so hart trainiert.“