Gigantenduell wie Liga-Finale - „Superspiel in Europa“
Dortmund (dpa) - Gigantengipfel, Titelentscheidung, Clásico - 182 Tage nach dem denkwürdigen Fußball-Abend von Wembley und vier Monate nach dem Supercup-Finale steht für Borussia Dortmund und den FC Bayern wieder ein Duell mit Endspielcharakter an.
Gewinnt der Triple-Sieger aus München, dann ist die deutsche Meisterschaft vielleicht schon entschieden. „Sieben Punkte Vorsprung - dann kann man schon damit rechnen, dass es der FC Bayern bis zum Saisonende durchzieht“, orakelte Franz Beckenbauer. Jede Menge Emotionen und viel Brisanz sind am Samstag beim fünften Knaller der beiden Rivalen in diesem Jahr garantiert - und das nicht nur wegen der zündstoffgeladenen Rückkehr von Mario Götze.
Der Hype vor dem Duell des Tabellenführers beim schwarz-gelben Dauerrivalen ist auch sechs Monate vor dem Saisonende schon so groß, als wenn es um Alles ginge. Das Spiel der beiden deutschen Übermannschaften wird in über 200 Länder live übertragen, der BVB hat mehr als 500 Journalisten akkreditiert - und hätte nach eigenen Angaben eine halbe Millionen Tickets verkaufen können. „Es ist ein herausragendes Spiel. Es gucken viele Menschen aus der ganzen Welt zu. Das ist wie Real Madrid gegen den FC Barcelona“, schwärmte Dortmunds Tausendsassa Kevin Großkreutz in den „Ruhr Nachrichten“.
Bayern-Präsident Uli Hoeneß sprach wie viele schon von einem „deutschen Clásico“; Pep Guardiola mag ihn aber noch nicht dem Klassiker in seiner Heimat gegenüberstellen. „Ich habe Tausende und Millionen Clásicos in Spanien erlebt. Lasst mir Zeit, um zu vergleichen“, bat der langjährige Barça-Erfolgscoach. „Aber ich habe von Anfang an gemerkt, wie gut die Mannschaft von Borussia Dortmund ist. Ich weiß, dass es ein sehr spezielles Spiel ist.“ Das hob auch Arjen Robben vor dem Duell „zweier Topmannschaften in Europa“ hervor. „Ein Superspiel in Europa“, erklärte der Niederländer. „Aber der Clásico in Spanien - das ist schon eine Geschichte, die über 10, 20, 30 Jahre geht.“
Clásico hin, Clásico her - die Rivalität im Spiel zwischen der besten Offensive (Dortmund/32 Treffer) gegen die stärkste Defensive (Bayern/7 Gegentore) ist in jedem Fall riesengroß. „Wir wollen uns nicht kleiner machen, als wir sind und haben den Anspruch, die Bayern zu schlagen“, sagte Trainer Jürgen Klopp und zeigte sich trotz des Ausfalls der kompletten Abwehrreihe aus dem Champions-League-Finale angriffslustig. Der BVB-Heißmacher wird die Bayern sicher vor keine leichte Aufgabe stellen. Und „die weiße Fahne“, so Sportdirektor Michael Zorc im „kicker“, hisse man „niemals und vor niemandem“.
Das erwarten auch die Münchner vor Gipfel trotz der vielen Verletzten keineswegs. „Ich bin mir sicher, in der Dortmunder Aufstellung werden sehr, sehr gute Spieler stehen, mit riesiger Qualität“, erklärte Guardiola. Er selbst muss auf „wichtige Spieler“ wie Bastian Schweinsteiger und Franck Ribéry verzichten. „Ich bin traurig für die Spieler, aber ich hasse Entschuldigungen.“ An Bord ist dagegen der langjährige Borusse Götze, der sich auf einen hitzigen Empfang einstellen muss. „Früher oder später musste er nach Dortmund zurückkommen“, erklärte sein Coach. Je früher, desto besser: „Es wird gut für ihn - und für die Fans.“
Guardiola blickt seinem zweiten Duell gegen Dortmund, gegen das es für ihn im Juli beim Supercup die bisher einzige Bayern-Pflichtspielniederlage gab, mit großer Vorfreude entgegen - und mit großen Respekt. „Jürgen Klopp ist einer der besten Trainer in der Welt. Was er mit dem BVB in den letzten Jahren gemacht hat, ist unglaublich“, sagte der spanische Startrainer.
Lobgesang auf Klopp - und der pries den Champions-League-Sieger. Die Münchner seien für ihn „die beste Mannschaft der Welt“, erklärte der Dortmunder Trainer in WDR-Hörfunk. „Eigentlich ist die Meisterschaft vor der Saison entschieden gewesen.“ Zu viel der Ehre, finden die Bayern, und weisen auf das kontinuierliche Understatement der Borussia hin. In jedem Fall ist der FCB, der seine bislang letzte Liga-Auswärtsniederlage am 11. April 2012 in Dortmund kassierte, auch nach dem Schlusspfiff Spitzenreiter.
Zum fünften Mal in diesem Jahr stehen sich beide Teams gegenüber. Im Königsklassen-Endspiel in London und im DFB-Pokal-Viertelfinale gewannen die Bayern, in der Liga gab es ein Remis. Im bislang letzten Aufeinandertreffern holte sich der BVB im Juli den deutschen Supercup.
BVB in bisherigen Topspielen gegen den FC Bayern nervenstärker:
In der Gesamtbilanz der bisher 88 Bundesliga-Duelle liegt der FC Bayern mit 38 Siegen (28 Remis, 22 Niederlagen) und 164:111 Toren vor dem Rivalen aus Dortmund. Allerdings erwiesen sich die Borussen in den Partien, in denen beide Teams als Erster und Zweiter aufeinandertrafen, als nervenstärker. Achtmal kam es zu solchen Gipfeltreffen - viermal siegte der BVB, jeweils zwei Partien endeten unentschieden und mit einem Erfolg der Bayern.
Mut schöpfen die personell arg gebeutelten Dortmunder vor dem Spitzenspiel zudem aus der jüngsten Bilanz. Schließlich ging keines der letzten sechs Ligaspiele (4 Siege, 2 Remis) gegen die Münchner verloren. Bemerkenswert: Der BVB gab in dieser Saison als eines von drei Teams noch keinen Punkt im eigenen Stadion ab und erzielte dabei im Schnitt 3,5 Treffer pro Partie. Auf der anderen Seite sind die Bayern auswärts seit 24 Begegnungen ungeschlagen. Die letzte Auswärtsschlappe mussten sie am 11. April 2012 hinnehmen - beim 0:1 in Dortmund.
Der Tabellenzweite BVB weist nach zwölf Spieltagen die drittbeste Bilanz seiner Bundesliga-Geschichte auf. Die Bayern haben einen Punkt mehr auf dem Konto als zum gleichen Zeitpunkt der vorigen Triple-Saison. Zudem überflügelten sie am vorigen Spieltag nach 37 Partien ohne Niederlage den bisherigen Rekordhalter Hamburger SV.