Gomez rechnet mit Titel: „Haben die Qualität“

Stuttgart (dpa) - Für ihn persönlich und seinen FC Bayern lief es eigentlich perfekt: Zwei Treffer, in der Torschützenliste wieder Spitze und die Herbstmeisterschaft praktisch in der Tasche.

Trotzdem grummelte und grantelte Mario Gomez nach dem verdienten 2:1 (1:1)-Sieg im Süd-Schlager bei seinem alten Club VfB Stuttgart. „Wir haben den Anspruch, Meister zu werden und Tabellenführer zu sein, dann dürfen wir in so einer Situation nicht fahrig werden“, kritisierte der Nationalstürmer das unerklärliche Nachlassen des Rekordmeisters. „Wir müssen die Bälle halten und den Gegner laufen lassen. Wir haben aber nur noch die Bälle hin und her gekloppt.“

Eine halbe Stunde lang hatten die Bayern in gewohnter Weise dominiert und das Geschehen diktiert. Selbst der überraschende Rückstand durch Christian Gentner (6. Minute) hatte die Münchner weder aus dem Rhythmus noch aus dem Konzept gebracht. Nach dem schnellen Ausgleich durch Gomez (13.) und klaren Chancen im Minutentakt schien es nur eine Frage zu sein, ob die unterlegenen Schwaben wie vor einem Jahr fünf Gegentreffer (wie im Punktspiel) oder sechs (wie im DFB-Pokal) kassieren würden.

Nach Cristian Molinaros Platzverweis, der beim VfB eine scharfe Schiedsrichter-Schelte auslöste, war die Bayern-Herrlichkeit jedoch plötzlich passé. „Wir haben gegen elf besser gespielt als gegen zehn. Von daher hat der Schiedsrichter denen doch geholfen“, spottete der weitgehend blass gebliebene Thomas Müller. Trainer Jupp Heynckes bescheinigte seinen Schützlingen, gegen den vollzähligen Kontrahenten „klasse gespielt“ zu haben: „Komischerweise war das bei Elf gegen Zehn nicht mehr der Fall.“

Lag es an Überheblichkeit, Sorglosigkeit oder dem Gefühl des gegen dezimierte Stuttgarter nun wohl sicheren und lockeren Sieges? Eine überzeugende Erklärung für den Einbruch konnte kein Bayern-Vertreter liefern. Erst recht nach Gomez' zweitem Streich (57.) ließen die Münchner deutlich nach. „Irgendwann tut jeder einen Schritt weniger“, entschuldigte Kapitän Philipp Lahm die am Schluss gegen wild anstürmende Schwaben beinahe noch bestrafte Lässigkeit. Und selbst Heynckes beurteilte diese Hänger milde.

Hingegen geißelte Gomez den Qualitätsabfall als „schade und extrem ärgerlich“. Der im Sommer 2009 für schätzungsweise 35 Millionen Euro von den Bayern gekaufte Stürmer bewies einmal mehr, dass dies gut investiertes Geld war. Mit 15 Treffern hat er knapp 40 Prozent aller Saisontore des Spitzenreiters erzielt. Und der VfB liegt dem spanischen Schwaben wohl ganz speziell: In den zurückliegenden fünf Vergleichen traf er siebenmal. Die kläglich vergebene „tausendprozentige Chance“ in der 5. Minute ärgerte Gomez aber nicht: „Normalerweise fängt man dann an zu grübeln. Aber hier ging mir direkt durch den Kopf: In dem Stadion hast Du das Toreschießen gelernt, da machst du noch ein, zwei Dinger.“

Letztendlich besserte nicht nur der Doppelpack Gomez' Laune spürbar. Primär der auf drei Punkte ausgebaute Abstand auf die Verfolger steigerte das Wohlgefühl. „Wir sind auf einem guten Weg, wir haben die Qualität, Meister zu werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir es schaffen. Deshalb war der Sieg heute ganz wichtig“, urteilte er am Sonntagabend bei einem Auftritt in der SWR-Sendung „Sport im Dritten“. Unmittelbar nach Schlusspfiff hatte das in Sky noch ganz anders geklungen: „Der Sieg bedeutet mir gar nichts. Letzte Woche waren wir Dritter und die Deppen der Nation, jetzt sind wir Erster und so gut wie Herbstmeister. So schnell dreht sich das.“

Für Lahm war es angesichts der Patzer der beiden Borussen-Teams (Mönchengladbach 0:1 in Augsburg, Dortmund 1:1 gegen Kaiserslautern) dagegen ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. „Nach diesem Wochenende kann man zufrieden sein“, bilanzierte der Nationalverteidiger schon vor dem Vorrundenfinale gegen Köln. „Es ist schön, wenn wir im Winter vorne stehen, das hatten wir schon ein paar Jahre nicht mehr.“