Hannover jubelt nach 151 Tagen - FCA auf Europa-Reise

Augsburg (dpa) - Hannovers glücklicher Boss herzte seinen am Saisonende scheidenden Musterprofi. „Ein toller Spieler, ein toller Mensch, ein toller Charakter“, schwärmte 96-Präsident Martin Kind in den Katakomben der Augsburger Fußball-Arena über Lars Stindl.

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Der Kapitän, der in der kommenden Saison mit Borussia Mönchengladbach in der Champions League spielen darf, gibt im Bundesliga-Abstiegskampf bis zum letzten Tag alles für seinen Noch-Arbeitgeber.

Stindl erzielte beide Treffer beim 2:1 (1:1) in Augsburg, dem ersten Sieg der Niedersachsen 2015, dem ersten Erfolg nach 151 quälenden Tagen ohne Dreier. Damit hievte der 26-Jährige, der schon eine Woche zuvor beim 1:1 gegen Bremen der Torschütze war, das schlechteste Rückrundenteam (10 Punkte) auf den rettenden 15. Platz. Stindl ermöglichte Hannover einen „Showdown gegen Freiburg“, wie Trainer Michael Frontzeck mit Blick auf das Endspiel gegen den punktgleichen Tabellen-14. am letzten Spieltag resümierte.

„Ich hoffe, dass wir es nächste Woche vergolden“, sagte Stindl nach „einem Wahnsinnsspiel“ mit seinen Saisontoren neun und zehn (24./54. Minute), einem verwandelten Foulelfmeter von Paul Verhaegh (30.), einem nicht gegebenen Strafstoß nach Handspiel von Hannovers Haroki Kasai (66.) sowie drei Platzverweisen in der heißen Schlussphase. Sakai (77.) und Verhaegh (90.) sahen jeweils Gelb-Rot. Augsburgs Angreifer Raúl Bobadilla zeigte der überforderte Schiedsrichter Felix Zwayer für einen harmlosen Schubser sogar Rot (90.+5).

Die Begleitumstände des ersten Sieges seit dem 2:0-Heimerfolg am 16. Dezember 2014 ebenfalls gegen Augsburg interessierte die Gäste herzlich wenig. „Wir haben das Quäntchen Glück erzwungen“, sagte 96-Coach Frontzeck, der seine Fünf-Spiele-Rettungsmission im Heimspiel gegen Bayern-Besieger SC Freiburg krönen möchte.

Dass öffentlich schon über Frontzecks möglichen Nachfolger spekuliert wurde - eine Stuttgarter Zeitung nannte Thorsten Fink -, erzürnte Kind. „Ich müsste ja besoffen sein und ins offene Messer laufen, jetzt mit einem anderen (Trainer) zu reden“, schimpfte der Präsident: „Wir führen Gespräche erst, wenn die Saison beendet ist.“

Euphorie nach dem „dreckigen Sieg“, wie Nationaltorwart Ron-Robert Zieler anmerkte, erstickte Kind ebenfalls resolut. „Euphorie? Da wird mir speiübel. Hier sind jetzt Vernunft und Realismus gefordert“, mahnte der Boss. Noch immer drohen direkter Abstieg oder Relegation. Für Vereinspatron Kind steht selbst bei einem Happy End fest: „Es war eine Scheißsaison. Sie hat unheimlich viel Kraft gekostet.“

Das war auch den Augsburgern anzumerken. Aber die Niederlagen der Europa-League-Konkurrenten Dortmund und Bremen sorgten dafür, dass trotz der eigenen Heimpleite das Europa-Ticket praktisch gelöst wurde. Das Risiko des Tabellensechsten, von Bremen am letzten Spieltag noch verdrängt zu werden, liegt im Promillebereich. „Es ist ein riesiges Ausrufezeichen für Augsburg, international zu spielen. Qualifikationsspiele sind auch Europapokal“, sagte Trainer Markus Weinzierl. „Das ist Wahnsinn“, kommentierte Kapitän Verhaegh.

„Europa ist ganz klar ein Bonus. Eine schöne Herausforderung für uns“, erklärte Manager Stefan Reuter. Auf ihn kommt organisatorisch und in der Kaderplanung einiges zu. Die Europa-Reise, die womöglich schon am 30. Juli mit dem Hinspiel der 3. Qualifikationsrunde beginnen könnte, elektrisiert Fans, Trainer, Bosse und das FCA-Team. „Die Spieler sind so heiß drauf, die wollen unbedingt englische Wochen spielen“, bemerkte Manager Reuter zur Europa-Reise.