Hertha: Nach Skibbe-Aus Interimstrainer gefunden
Berlin (dpa) - Eine ratlose Hertha kämpft gegen Auflösungserscheinungen. Nach fünf Pleiten und einem 0:5-Debakel in Stuttgart hat der Hauptstadtclub den Irrtum Michael Skibbe beendet.
Als Interimslösung werden die Berliner Jugendtrainer René Tretschok und Ante Covic nun das Team auf das nächste Heimspiel gegen Meister Borussia Dortmund vorbereiten. „Aber natürlich suchen wir dann einen neuen Trainer“, sagte Preetz. In der Nacht nach dem sportlichen Offenbarungseid von Stuttgart hatte sich Preetz mit dem Präsidium verständigt und schließlich gegen Skibbe entschieden.
Rund 200 Fans überwiegend aus der Ultra-Szene stürmten das Vereinsgelände und zwangen die geschockten Profis zu einer Aussprache. „Wir sind mit den fünf Niederlagen in fünf Spielen in eine schwierige Situation gekommen“, erklärte Michael Preetz, der nun auch selbst schwer unter Druck gerät. „Insbesondere die Art und Weise“ des Auftritts im Schwabenland habe den Verein zum Handeln gezwungen, betonte der Manager. Die Abstiegsangst ist so groß geworden, dass Hertha nach nur eineinhalb Monaten Skibbe den Stuhl wieder vor die Tür setzte.
Skibbe geht damit als bislang erfolglosester Trainer in die Bundesliga-Geschichte von Hertha BSC ein. Kein anderer Coach der Berliner kam in seiner Amtszeit auf einen Schnitt von null Zählern. Kein anderer Hertha-Trainer musste bereits nach vier Spielen gehen. Immerhin blieb ihm ein Negativ-Rekord bei Auftaktniederlagen erspart: Uwe Reinders war 1993 mit fünf Bundesliga-Pleiten in Serie als Hertha-Trainer gestartet. Und auch Skibbes kurze Amtszeit von sechs Wochen ist bei Hertha kein Rekord: Dettmar Cramer wird offiziell als Trainer für eine Woche geführt, regierte aber Anfang Juli 1974 praktisch nur einen Tag als Chef und betreute das Team in keinem einzigen Spiel.
Die Anhänger reagierten auf den neuen Tiefpunkt wütend: Kurzzeitig drohte eine Eskalation, als die vorwiegend schwarz gekleideten Anhänger mit einigen Profis heftig stritten. „Ich geh' länger zur Hertha, als du hier spielst!“, brüllte ein Anhänger. „Du bist doch der Sänger aus der Ostkurve, du Eierkopp“, erwiderte ein Profi.
Die Lage beim deutschen Meister von 1930 und 1931 ist äußerst angespannt und erinnert nach der dritthöchsten Niederlage in der Bundesliga-Geschichte immer mehr an die Abstiegssaison 2009/10. Damals hatte Preetz nach der Trennung von Erfolgscoach Lucien Favre bis Saisonende an dessen erfolglosem Nachfolger Friedhelm Funkel festgehalten. Für Skibbe war wohl auf deshalb nur 52 Tage nach der Vorstellung das Kapitel Hertha BSC schon wieder beendet.
Der Wiederaufstieg hatte Hertha rund 60 Millionen Euro gekostet. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bezeichnete die Lage beim wichtigsten Verein der Stadt noch vor der Trennung von Skibbe als „Desaster“ und fügte an: „Das muss besser werden, das kann aber auch noch besser werden. Wir müssen jetzt nicht verzweifelt sein und der Hertha die Daumen drücken.“
Hertha und Skibbe, der die Pleite in Stuttgart noch als „absolutes Debakel“ bezeichnet hatte, wird als einer der ganz großen Irrtümer in die Vereinschronik eingehen. „Ganz deutlich gesagt: Es ist nicht aufgegangen, was wir beide uns vorgenommen haben“, sagte Preetz und übernahm die Verantwortung für diesen Fehler. „Es ist aber auch meine Verantwortung für Hertha BSC, diese Fehleinschätzung zu korrigieren, wenn ich das Gefühl habe, es geht nicht mehr“, ergänzte der Manager.
Persönliche Konsequenzen schloss Preetz nach der vierten Trainerentlassung in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit aus: „Ich bin a ein Kämpfer und b keiner, der wegläuft. Und c macht es auch nicht jeder, Fehler einzuräumen.“ Auch wenn Skibbe einen Kontrakt bis 2014 erhalten hatte, sei der wirtschaftliche Schaden für Hertha durch Vertragsklauseln begrenzt, erklärte Preetz.
„Wir müssen jetzt versuchen, aus der Krise herauszukommen“, sagte Kapitän Mijatovic nach der Aussprache mit den aufgebrachte Fans im Kuppelsaal des Sportmuseums und räumte ein: „Heute hatten die Fans alles Recht der Welt, uns zu kritisieren. Das war eine katastrophal desolate Leistung. Wenn wir so weiterspielen, steigen wir ab.“ Hertha hat keines der vergangenen zehn Spiele in der Bundesliga gewonnen.
Im Olympiapark kam es am Sonntag zu skurrilen Szenen. Zunächst folgten die Anhänger stumm einem Teil der Mannschaft beim Auslaufen. Anschließend versammelten sich die Ultras vor der Spielerkabine, ehe es zur Aussprache mit 15 Spielern kam. „Da ging es um die Sorge nach dem Spiel von Stuttgart. Es hat Gespräche in vernünftiger Atmosphäre gegeben, vor allem gewaltfrei“, bemerkte Preetz.
Am Morgen nach dem 0:5-Debakel war das Team vom Skibbe-Abschied informiert worden. Der Kurzzeit-Trainer hatte sich noch persönlich von den Spielern verabschiedet. „Er hat es gefasst aufgenommen. Natürlich ist er auch enttäuscht wie wir alle“, schilderte Preetz.