Hochspannung im Bundesliga-Abstiegskampf
Düsseldorf (dpa) - Reine Nervensache. Der Bundesliga-Abstiegskampf wird zum Drama in drei Akten. Noch nie seit der Einführung der Drei-Punkte-Wertung in der Saison 1995/96 war der Abstand zwischen Platz 14 und 18 so gering wie in diesem Jahr.
Vier noch ausstehende direkte Duelle der gefährdeten Teams bis zum Showdown am 23. Mai sorgen für zusätzliche Brisanz. „Da unten sind fünf Mannschaften, die eine eigene Liga haben“, kommentierte Stuttgarts Sportvorstand Robin Dutt die historische Ausgangslage.
Nicht auszuschließen, dass erstmals seit 16 Jahren wieder das Torverhältnis über die Ränge 15 oder 16 entscheidet. Ganze vier Zähler trennen den Fünftletzten Hamburger SV (31) vom Schlusslicht VfB Stuttgart (27). Dazwischen rangieren mit dem SC Paderborn (31), dem SC Freiburg (30) und Hannover 96 (30) weitere Clubs am Abgrund.
Die beteiligten Trainer sind vor allem als Psychologen gefragt. „Ich muss Ruhe bewahren, mit der Mannschaft sauber arbeiten und schauen, dass ich sie wieder aufrichte“, sagte Christian Streich. Der Freiburger Fußball-Lehrer steht vor einer besonderen Herausforderung. Seine Mannschaft ist die einzige aus dem Kreis der Abstiegsaspiranten, die zwei der letzten drei Partien auswärts bestreiten muss - ausgerechnet beim HSV und in Hannover. Präsident Fritz Keller erklärte diese Partien zu Endspielen: „Wir müssen gegen die beiden unmittelbaren Konkurrenten punkten.“
Spätestens seit dem vorigen Wochenende herrscht auch in Hannover Alarmstufe Rot. Erstmals in dieser Saison steht der Hinrunden-8. auf einem Abstiegsplatz. Ein Trainingslager in Harsewinkel-Marienfeld soll helfen, den Trend mit zuletzt 14 Spielen ohne Sieg zu stoppen. Diese Maßnahme hatte sich schon im Vorjahr bewährt: Nach dem 0:3 in Braunschweig und dem anschließenden Trainingslager ging kein Spiel mehr verloren. „Wir können dort in Ruhe arbeiten“, sagte Trainer Michael Frontzeck. Um diese Ruhe zu gewährleisten, finden die Einheiten an den letzten drei Tage vor dem Derby gegen Bremen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Ob zwei Heimspiele in Serie die Stuttgarter aus der prekären Lage befreien können, bleibt abzuwarten. Schließlich verbuchte kein Ligateam vor eigener Kulisse weniger Punkte. Dieser Makel kann Dutt jedoch nicht schrecken: „Welchen Grund sollte es geben, nicht mehr an den Klassenverbleib zu glauben? Es sind schon ganz andere Rückstände als unserer aufgeholt worden.“ Auf erste Anzeichen von Resignation reagierte der VfB-Sportvorstand mit einer emotionalen Ansprache an die Profis: „Wir spielen jetzt nicht gegen den FC Barcelona, sondern gegen den FSV Mainz. Wir gewinnen gegen Mainz und Hamburg, dann haben wir ein Endspiel in Paderborn.“
Für zusätzliche Aufregung bei den Schwaben sorgte Hans Müller. Der ehemalige Nationalspieler legte am Montag sein Mandat als Aufsichtsratsmitglied nieder. Er zog damit die Konsequenz aus dem Wirbel nach seiner Ankündigung, Alexander Zorniger werde den VfB in der kommenden Saison trainieren. Dagegen hatten die Vereinsführung mehrfach betont, die Trainerfrage erst nach der Saison klären zu wollen. „Ich bedauere diesen Fehler außerordentlich und habe mich dafür auch bei den Verantwortlichen des Clubs in aller Form entschuldigt“, sagte Müller.
Wie man im Abstiegskampf bestehen kann, demonstrierte zuletzt der HSV. Nach zwei knappen Siegen über Augsburg und Mainz gelang der Sprung aus der Abstiegszone. Allerdings verheißt die geringe Trefferzahl wenig Gutes. Das Team mit den wenigsten Saisontoren stand in den vergangenen acht Jahren am Ende immer auf einem Abstiegsplatz. Mit einem weiteren Sieg am Freitag gegen Freiburg wäre die erneute Rettung des von vielen bereits abgeschriebenen Bundesliga-Gründungsmitglieds jedoch zum Greifen nahe. „Es ist eine riesige Möglichkeit für uns“, sagte Abwehrspieler Heiko Westermann dem „Kicker“.