Hoffenheim baut auf Gisdol - Kurz und Müller weg

Zuzenhausen (dpa) - In höchster Abstiegsnot setzt die TSG 1899 Hoffenheim schon wieder auf einen neuen Retter und hat Novize Markus Gisdol auf den Trainer-Schleudersitz befördert.

Der 43-Jährige soll den krisengebeutelten Fußball-Bundesligisten nicht nur vor der Zweitklassigkeit retten, sondern vor allem einen umfassenden Neuaufbau beim Herbstmeister von 2008 einleiten. Der Tabellen-17. hatte sich am Dienstag sieben Spieltage vor Saisonende überraschend nicht nur von Chefcoach Marco Kurz, sondern auch von Manager Andreas Müller getrennt. „Es ist eine sehr spannende Aufgabe, das noch hinzubiegen“, sagte Gisdol bei seiner Rückkehr und Vorstellung im Trainingszentrum von Zuzenhausen.

Der 43-Jährige, der von 2009 bis 2011 die zweite Hoffenheimer Mannschaft trainiert hatte und am 16. Dezember bei Schalke 04 als Assistent von Huub Stevens gehen musste, erhält einen Vertrag bis zum 30. Juni 2016. Es war die neunte Trainerentlassung in der laufenden Erstliga-Runde - und ein Paukenschlag im Kraichgau. Kurz war erst in der Winterpause gekommen, hatte aber mit nur acht Punkten aus zehn Spielen eine miserable Bilanz und scheiterte in Hoffenheim ebenso wie ein Jahr zuvor beim 1. FC Kaiserslautern, der danach in die zweite Liga abstürzte. Müller hatte den Managerposten im September übernommen.

Die Trennungen wird den Verein und Mäzen Dietmar Hopp teuer zu stehen zu kommen: Sowohl Kurz als auch Müller haben noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2014. „Ich muss das erst mal sacken lassen“, sagte Müller dem TV-Sender Sky, als er mit voll beladenem Auto am Dienstagmittag vom Trainingsgelände fuhr.

Einen direkten Nachfolger erhält der 50-Jährige Ex-Schalker nicht: Alexander Rosen, bisher Leiter des Hoffenheimer Nachwuchsleistungszentrums, wird Manageraufgaben übernehmen, soll aber mehr ein Bindeglied zwischen Trainer, Geschäftsführern und Gesellschaftern sein. „Es ist die klare Entscheidung dafür gewesen, den langfristigen Kurswechsel heute schon zu vollziehen und die Herausforderung Relegationsplatz zu erreichen“, sagte Geschäftsführer Frank Briel. „Wir sind froh, mit Gisdol und Rosen zwei Personen im Team zu haben, die unsere Grund- und Spielphilosophie kennen und mit entwickelt haben.“

Rosen saß bei der Pressekonferenz erst gar nicht auf dem Podium, sondern mitten unter den Journalisten. Milliardär Hopp war wie üblich bei solchen Anlässen nicht erschienen und meldete sich nur via Pressemitteilung zu Wort: Das Hauptaugenmerk liege unabhängig vom Ausgang dieser Saison in einer Rückbesinnung, die vom Gedanken des Financial Fairplays geprägt sein solle. „Wir wollen Talente integrieren, unseren Fans wieder attraktiven Fußball bieten, neue Zuschauer gewinnen und auf dem bewährten Weg wieder nach vorne kommen“, betonte Hopp.

Vor Ort mussten sich Briel und Clubpräsident Peter Hofmann für die „Hire-and-fire“-Politik rechtfertigen. In den vergangenen 27 Monaten hat die TSG fünf Trainer verschlissen. Nach Markus Babbel, Frank Kramer und Kurz ist Gisdol in dieser Spielzeit bereits der vierte Verantwortliche auf der Trainerbank. Hofmann empfand es gar als „unfair“, dass Briel als der für Sport und Finanzen verantwortliche Geschäftsführer angegriffen wurde: „Ich denke nicht, dass ich die Tore schieße oder Herr Briel.“

Gisdol übernahm am Nachmittag erstmals das Training, soll aber kein Feuerwehrmann sein: Er wurde „von der Vereinsführung mit dem beschlossenen Neuaufbau über die laufende Saison hinaus betraut“. So hieß es in einer Pressemitteilung. Der neue Chefcoach und die Clubverantwortlichen sprachen so viel über Spielphilosophie, Nachwuchsarbeit und Konzepte, dass der Abstiegskampf plötzlich in den Hintergrund rückte. Der Trainer- und Managerwechsel, versicherte Briel dann aber auf Nachfrage, „ist keine Verabschiedung vom Klassenerhalt.“

Müller hatte zur Rückrunde gleich sechs neue Spieler für über 12 Millionen Euro holen dürfen. In die Stammelf schaffte es aber nur der brasilianische Torhüter Heurelho Gomes (Tottenham Hotspur) und Innenverteidiger David Abraham (FC Getafe). Zudem hatte sich der Manager immer wieder mit der Causa Tim Wiese herumschlagen müssen. Der vor seiner Amtszeit verpflichtete Ex-Nationaltorwart sorgte regelmäßig für Negativ-Schlagzeilen, darf nach seiner zwischenzeitlichen Suspendierung aber seit dem Wochenende wieder mit der Mannschaft trainieren.

Trainer Kurz konnte die Abwehrschwäche - mit 52 Toren ist die TSG zusammen mit Werder Bremen die Schießbude der Liga - nur unwesentlich beheben und im Angriff nicht für neue Impulse sorgen. Sein Fazit nach dem 0:3 am Samstag auf Schalke war bezeichnend für seine Machtlosigkeit. „Wir haben uns zu weit zurückgezogen und haben nicht das gespielt, was wir wollten“, meinte Kurz.