Hoffenheim will „zurück zu den Wurzeln“ - Gibt es die?
Sinsheim (dpa) - Am liebsten würden die Verantwortlichen von 1899 Hoffenheim den glorreichen Herbst 2008 wieder herbeizaubern: Damals, als der „Dorfclub“ aus dem Kraichgau aus der Drittklassigkeit nach ganz oben durchmarschiert war und in der Fußball-Bundesliga auf Anhieb Herbstmeister wurde.
Die Spielphilosophie verloren, eine Identität nie richtig gewonnen - so heißt es viereinhalb Jahre später. „Zurück zu den Wurzeln“ lautet das Motto von Clubpräsident Peter Hofmann nun in der größten Krise des Emporkömmlings. Aber wie soll das gehen bei einem Verein, der nach Ansicht seiner Kritiker gar keine Tradition hat?
Ein 15 Millionen Euro teures Trainingsgelände ließ Dietmar Hopp rund um ein Jagdschloss in Zuzenhausen bauen, das Traumgebilde des Mäzens und Milliardärs sah aber anders aus: Eine Erstliga-Mannschaft mit vielen eigenen Talenten, am besten aus der Region. Doch die bis heute andauernde Einkaufstour fing schon damals unter Erfolgstrainer Ralf Rangnick an, als unter anderem der Brasilianer Carlos Eduardo - mit einer Ablösesumme von 8 Millionen Euro teuerster Profi der Zweitliga-Geschichte - verpflichtet wurde.
Rangnick schaffte eine Spielkultur, die selbst dem FC Bayern München Kopfzerbrechen bereitete: überfallähnliches Angriffsspiel, hocheffiziente Laufwege, konsequentes Pressing. Carlos Eduardo, Chinedu Obasi, Vedad Ibisevic und Co. wirbelten wie wild. „Ziel ist es, wieder frischen, jungen, attraktiven Fußball zu spielen“, sagt Hofmann jetzt nach den gescheiterten Versuchen mit den Trainern Marco Pezzaiouli, Holger Stanislawski, Markus Babbel und Marco Kurz. Deren Fußball glich oft den Wänden der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena: glatt, grau - mitunter grausam.
„Viele von uns, Spieler, Trainer, Funktionäre, waren damals nicht reif für diese explosionsartige Entwicklung“, sagte Bernhard Peters, Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung in Hoffenheim, kürzlich der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Wir sind mit dem Hype amateurhaft umgegangen.“ Der frühere Hockey-Bundestrainer steht jetzt unter dem Zugzwang, den Nachweis seiner finanziell ebenfalls aufwändigen Arbeit zu liefern. Denn der eigene Nachwuchs kam nicht wie gewünscht zum Zug. Dominik Kaiser (heute RB Leipzig), Marco Terrazzino (SC Freiburg), Pascal Groß (FC Ingolstadt), Manuel Gulde (SC Paderborn), Denis Streker (Dynamo Dresden) und Tobias Strobl (1. FC Köln) wurden kurz ins kalte Wasser geworfen, konnten sich aber nie freischwimmen bei der TSG.
Wie ein richtiger Ausbildungsverein funktioniert, hat der badische Rivale SC Freiburg den Hoffenheimern vorgemacht. Allerdings haben die Breisgauer mit ihrer Fußballschule den längeren Vorlauf. „Jetzt hat sich die Situation etwas geändert, wir haben viele tolle Talente“, sagte der neue Chefcoach Markus Gisdol. Die A- und B-Jugend spielt in der Bundesliga, und Hopp hat als Marschroute vorgegeben: „Wir wollen Talente integrieren, unseren Fans wieder attraktiven Fußball bieten, neue Zuschauer gewinnen und auf dem bewährten Weg wieder nach vorne kommen.“ Notfalls nimmt er hierfür den Umweg über die zweite Liga in Kauf. Nicht bewährt hat sich für die TSG der Weg, wie in der Winterpause noch unter Ex-Manager Andreas Müller schnell mal 12 Millionen Euro für sechs Spieler auszugeben.
Auch mit der „Hire-and-Fire“-Politik auf der Trainerbank soll Schluss sein. „Ein Grund, warum ich hier bin, ist der, dass Herr Hopp sein altes Hoffenheim zurückhaben möchte“, erklärte der frühere Amateur-Trainer Gisdol bei seinem Amtsantritt als Chefcoach. „Ich habe ihm gesagt, dass es eine unglaublich schwierige Aufgabe ist, dass es einen langen Atem braucht, um dahin zurückzukommen zu den Dingen, die wir hier schon einmal gesehen haben.“