Innenminister Jäger: „Gewalt und Pyrotechnik haben Höchststand erreicht“
In Gelsenkirchen und Düsseldorf wurde trotz des Pyrotechnikverbots gezündelt. Etwa 60 Schalke-Fans der Ultraszene wollten mit dem Abbrennen von Bengalos auf sich aufmerksam machen. Strafverfahren wurden eingeleitet. Innenminister Jäger nimmt Clubs in die Pflicht.
Gelsenkirchen/Düsseldorf (dpa) - Trotz des Pyrotechnikverbots haben Fußball-Anhänger am Bundesliga-Wochenende mit dem Abbrennen von Bengalos in den Stadien von Gelsenkirchen und Düsseldorf gefährliche Situationen heraufbeschworen. Erstmals wurde auch in der Schalker Nordkurve kräftig gezündelt.
„Unsere Fans haben mit ihren Gesängen die richtige Antwort gegeben. Sie haben damit deutlich gemacht, dass sie mit dieser Aktion nicht einverstanden sind“, verurteilte Manager Horst Heldt die gefährliche Aktion einer dem Club bekannten Ultra-Gruppierung vor Beginn der zweiten Spielhälfte zwischen Schalke 04 und Eintracht Frankfurt (1:1).
Schiedsrichter Günter Perl konnte die Partie nach der Pause erst mit Verspätung anpfeifen, weil etwa 20 Bengalos auf der Tribüne entflammt und Werbebanner über einem Tunnel in Brand gesetzt wurden. Die offensichtlich gezielte Aktion wurde von den restlichen Anhängern mit einem lauten Pfeifkonzert quittiert. „Ihr seid scheiße wie der BVB!“ und „Wir sind Schalker und ihr nicht“, ertönten die bekannten Rufe durch die vollbesetzte Veltins-Arena.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) nahm die Vorfälle zum Anlass, seine Forderungen nach entschlossenem Handeln und stärkerer finanzielle Beteiligung der Clubs zu erneuern. „Die Gewalt und der Missbrauch der Pyrotechnik haben einen Höchststand erreicht“, sagte Jäger der Zeitung „Neue Westfälische“ (Montag). Er will die Vereine stärker in die Pflicht nehmen. „Unsere 18 Einsatzhundertschaften werden zu 30 Prozent bei Fußballspielen eingesetzt. Das ist niemandem mehr zu vermitteln.“
Vor dem Sicherheitsgipfel der Deutschen Fußball Liga (DFL) am 12. Dezember haben die Befürworter einer härteren Gangart gegenüber einigen Fan-Gruppen neue Argumente erhalten. Laut Jäger nimmt die Gewalt auch außerhalb der Stadien, auf Zuwegen, an Bahnhöfen und Autobahnraststätten zu.
„In den nächsten vier Jahren wird eine Rekordsumme von 2,4 Milliarden Euro an TV-Geldern ausgeschüttet“, erklärte Jäger. Die Clubs müssten mehr Geld in die Sicherheit investieren, sich klar von Straftätern distanzieren und die Fanarbeit ausbauen. Dank der Videoüberwachung und des schnellen Eingreifens der Polizei konnten die Täter auf Schalke rasch identifiziert werden. Es gab zahlreiche Festnahmen, gegen 60 Personen wurde ein Strafverfahren eingeleitet. „Das war eine traurige Angelegenheit. Wir haben die Aktion videografiert und die Personen identifiziert. Dann haben wir sie nach dem Spiel abgefangen“, sagte Polizeisprecher Konrad Kordts.
Die Aktion ist nach Polizeierkenntnissen offenbar von Ultras aus dem Fanclub „Hugos“ durchgeführt worden. „So etwas ist absolut zu verurteilen“, betonte Heldt. „Selbstverständlich ist das nicht harmlos, sondern verantwortungslos, Bengalos im Stadion zu zünden, weil die Gesundheit Unbeteiligter gefährdet wird.“
Schon am Freitagabend war beim Spiel zwischen Fortuna Düsseldorf und dem Hamburger SV (2:0) im Gäste-Fanblock gezündelt worden. Dabei ging auch ein Transparent mit der Aufschrift „Lasst uns ein Spiel spielen“ in Flammen auf. Die Feuerwehr musste löschen.
Die Ausschreitungen auf Schalke haben offenbar den Hintergrund, dass die „Hugos“ auf sich aufmerksam machen wollten, ehe sie ein Stadionverbot erwartet. Denn voraussichtlich schon in der kommenden Woche werden mehr als 100 Mitglieder der jüngsten Gelsenkirchener Ultra-Gruppierung wegen der schweren Ausschreitungen beim Revierderby am 20. Oktober Post aus Dortmund und Stadionverbote erhalten.
„Wir wollen den Kollegen dort nicht vorgreifen. Aber es sind im dreistelligen Bereich Mitglieder der Hugos betroffen“, bestätigte Schalkes Sicherheitschef Volker Fürderer dem „RevierSport“. Beim 1:1 gegen Frankfurt seien die betroffenen Personen aber „noch legal im Stadion“ gewesen, ergänzte Fürderer.