BVB Dortmund Jürgen Klopp: Renitent, melancholisch — und weg
Zum letzten Auftritt von Jürgen Klopp gab es noch einmal das volle Programm. Jetzt beginnt eine Zukunft ohne den großen BVB-Identitätsstifter.
Berlin. Nach Schalke musste man nicht fragen, aber das passierte dann auch noch. Es ist zugegebener Maßen ein Problem, auf alles zu allem allzeit eine Antwort geben zu müssen, aber dieses ungeschriebene Gesetz aus der Showbranche Fußball hat Jürgen Klopp ohnehin nicht immer eingehalten. Also: Ob er sich denn einen Wechsel zum FC Schalke vorstellen könnte, fragte einer. Und Klopp antwortete mit einem sekundenlangen, ganz tiefen Seufzer und sagte dann: „Glauben sie mir, es ist eine noch größere Herausforderung, solche Fragen nach einem verlorenen Pokalfinale zu beantworten, als das verlorene Pokalfinale zu verarbeiten.“
Er hatte jetzt ein anderes Problem am Ende dieser sieben wahnsinnigen Jahre in Dortmund, an dem er mit Borussia Dortmund sein drittes von vier Finalspielen verlor: Rein sportlich verursachte Enttäuschung. Die gelbe Kappe hatte der 47-Jährige sich wirklich tief ins Gesicht gezogen. Er hatte alles versucht, war Schiedsrichter Brych und dessen Assistenten angegangen, stritt mit Trainerkollege Hecking, versuchte die Mannschaft beim Stand von 1:3 zur Pause zu überzeugen, „dass hier heute noch ein Spektakel passiert“. Aber dann passierte kein Spektakel mehr. Die schwarz-gelbe Fan-Übermacht in Berlin gab lange kaum mehr Töne ab, und Klopp giftete stattdessen gegen den TV-Mann Gerhard Delling, der doch, so Klopp, selbst nicht glaube, „dass Sie in fünf Minuten noch irgendwie ein bisschen Mitleid mit uns haben“.
Mitleid? Das hatte er eigentlich nie gewollt, aber was der Mann, dessen Zukunft so ungewiss ist wie die seines zurückgelassenen Vereins, nicht hinbekommt, ist hinzunehmen, dass sein internes Hochenergie-Projekt von außen durchaus auch emotionslos hinterfragt wird. Da prallen Welten aufeinander.
Aber das ist jetzt ja auch erst einmal vorbei, mit Trennungsschmerz. „Jedes Mal, wenn ich einen meiner Spieler im Arm habe und weiß, dass ich ihn möglicherweise zum letzten Mal im Arm habe, sind sofort die Tränen da. Das ist brutal“, sagte er melancholisch. Kollege Dieter Hecking wird später sagen, dass man es auch übertreiben könne mit der Hysterie. „Der Jürgen“, sagte Hecking, „ist ja nicht weg. Was machen wir denn, wenn er wiederkommt in die Bundesliga. Eine Willkommensparty?“
Aber in Dortmund ist es ja nicht so, dass er einfach mal vorbei kommt auf dem Trainingsgelände. Da steht dann sein Nachfolger Thomas Tuchel, der in dieser Woche offiziell vorgestellt werden soll, und die Geschichte wird schneller weitererzählt, als das Klopp oder mancher seiner Jünger unter den Fans, die Pappmasken seines Gesichts durch Berlin trugen, jetzt noch glauben mögen.
In der Nacht hatte der BVB ins Berliner „Kraftwerk“ zur „Schwarzgelben Nacht“ geladen. Klopp kam ohne Tränen, aber nicht ohne markige Worte aus, „Man hat mir gesagt, dass es vielleicht zu kitschig gewesen wäre, wenn wir zum Abschied gewonnen hätten — zu sehr American Style“, sagte er. Auf dem Lastwagen um den Borsigplatz, das sollte das letzte Bild von Klopp sein, aber das gibt es jetzt nicht. Stattdessen räumte er am Sonntag seine Sachen. Wohin es ihn in Zukunft zieht, bleibt offen. Er habe noch mit keinem anderen Club verhandelt, sagte er, eine Leere befürchtet er derweil nicht: „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Leere verspürt. Mein Kopf ist eher immer zu voll.“
Spät in der Nacht, die bis in die frühen Morgenstunden ging, fand das Rhetorik-Talent dann wieder die richtigen Worte. „Es ist nicht wichtig, was über einen gedacht wird, wenn man kommt. Es ist wichtig, was über einen gedacht wird, wenn man geht. Egal, wo es uns hin verschlägt, das hier werden wir nie vergessen.“ Gemeint hatte er seine Trainerkollegen Zeljko Buvac und Peter Krawietz, die den BVB auch verlassen. Und vielleicht auch Sebastian Kehl, dessen Karriere zu Ende ist. Die große Karriere von Klopp hingegen geht weiter. Woanders.