Korkut auf der Kippe - Wut und Abstiegsangst bei 96
Hannover (dpa) - Das mutige Experiment mit Trainer-Nobody Tayfun Korkut droht zu scheitern. Der glücklose Coach von Hannover 96 musste mit einem Megafon auf einen Zaun klettern, um aufgebrachte Anhänger zu beruhigen.
Mehr als 1000 Anhänger warfen aus Wut über die bittere 0:3-Pleite im Derby bei Eintracht Braunschweig Böller, Flaschen und Eier in Richtung Trainer und Team. „Ich hatte keine Angst. Es war wichtig, dass wir schnell mit unseren Fans kommunizieren konnten“, erläuterte Korkut die Fan-Revolte.
Nach vier Niederlagen liegen nicht nur bei den Anhängern die Nerven blank. Auch in der Führungsetage wächst angesichts des mageren Zwei-Punkte-Polsters die Angst vor dem Bundesliga-Abstieg. „Wir müssen eine Wagenburg-Mentalität schaffen“, erklärte Manager Dirk Dufner nach dem Montag-Training. Er stand gemeinsam mit Korkut Rede und Antwort. „Es ist ein klares Signal, dass wir hier zusammen auftreten“, sagte Dufner zu der Diskussion um Korkuts Zukunft. Sie soll in einem Gespräch mit Clubchef Martin Kind erörtert werden.
Als „völlig inakzeptabel“ hatte Kind die katastrophale Leistung der Mannschaft im Prestigeduell bezeichnet. Für den mächtigen Clubchef ist auch die 2. Liga ein völlig inakzeptables Szenario. Kind wird deshalb alles daran setzen, um den Abstieg zu verhindern. Ein zweiter Trainerwechsel in dieser Saison ist nicht auszuschließen. Korkut soll aber die verunsicherte 96-Mannschaft auch im nächsten Abstiegskrimi gegen den Hamburger SV betreuen. Dort sitzt pikanterweise sein Vorgänger Mirko Slomka auf der Bank.
„Korkut drückt die richtigen Knöpfe“, versicherte 96-Kapitän Lars Stindl. Fünf Punkte aus den vergangenen zehn Spielen sind aber keine gute Bilanz für den sympathischen Bundesliga-Neuling. Kind und Dufner hatten Korkut am Silvestertag überraschend verpflichtet und mit einem Vertrag bis 2016 ausgestattet. Der Zorn der Anhänger richtete sich in erster Linie nicht gegen den Trainer. Sie skandierten „Kind muss weg“ oder „Dufner raus“ und beschimpften die Profis, die dennoch mit ihnen sprachen.
„Wir können Wut und Enttäuschung nachvollziehen. Für uns war es schwierig, nach so einem Spiel noch irgendwelche Argumente vorzubringen“, sagte Stindl. Die Polizei verhinderte schwere Ausschreitungen, zwei Flaschenwerfer wurden festgenommen.
„Der Verein hat es vor ein paar Jahren schon einmal erlebt, dass man kurz vor dem Abstieg stand und dann zusammengerückt ist. Das Jahr danach hat man in der Europa League gespielt“, erinnerte Dufner an das erste Trainerjahr von Slomka. Der Sportdirektor hatte vor dem Derby seine Spieler als „bessere Mannschaft“ bezeichnet. Davon konnte aber keine Rede sein. Spielerisch, kämpferisch und vor allem mental war der Tabellenletzte dem Nachbarclub klar überlegen.
Viel zu lange haben die Verantwortlichen den Ernst der Lage nicht richtig erkannt. Zu Saisonbeginn sprach Kind von den Rängen vier bis sechs, nach dem Trainerwechsel im Winter korrigierte er das Saisonziel auf einen Platz um zehn. An Abstiegskampf hat keiner gedacht. Nun trifft Hannover an den letzten fünf Spieltagen nur auf mitgefährdete Teams. Eine gefährliche Konstellation, in der ein Zusammenrücken aller Kräfte wie beim Tabellenletzten Braunschweig nötig wäre.
Die Eintracht bleibt laut Trainer Torsten Lieberknecht „wie die Kletten“ dran an den anderen Teams. „Wir haben gesehen, was Zuschauer bewirken können“, sagte Lieberknecht zu der grandiosen Derby-Choreographie in blau und gelb. Auch wenn Bengalos gezündet wurden und einige Sprüche unter die Gürtellinie gingen: Bei Eintracht herrscht Eintracht, bei 96 dagegen Zwietracht.
Das zerstrittene Fan-Lager und die Clubführung um Kind liegen im Dauerclinch. Die umstrittene Busanreise der Anhänger zum Derby, die sich im Nachhinein als wirkungsvolle Maßnahme herausstellte, hat den Streit verschärft. „Wenn du ein Problem hast und damit allein umgehen musst, wird es schwer. Wenn du aber zusammenrückst, hast du eine echte Chance“, mahnte Dufner.