Kramers Debüt: Hoffenheim hofft auf Wende beim HSV
Hamburg (dpa) - Als Gymnasiallehrer für Sport und Englisch und als Dozent der Universität Erlangen ist Frank Kramer Auftritte vor Publikum gewöhnt.
So eine große Bühne wie am Freitagabend hatte der 40-Jährige aber noch nie: Als Nobody und neuer Trainer der TSG 1899 Hoffenheim wird Kramer im Spiel beim Hamburger SV seine Premiere in der Fußball-Bundesliga geben. „Es geht nicht um mich, sondern um den Verein“, sagt der Nachfolger von Markus Babbel.
Kramer reiht sich ein in eine neue Riege von Erstliga-Trainern wie Christian Streich, Mike Büskens und Markus Weinzierl. Bislang betreute er die U 23 der TSG in der Regionalliga. Sein Co-Trainer Julian Nagelsmann ist noch „grüner“: Der erst 25 Jahre alte Coach hatte die U 16 des Vereins unter sich.
Eine Fußballlehrer-Lizenz hat Kramer noch nicht. Da der gebürtige Memminger den Lehrgang aber in Hennef begonnen hat, darf er den Bundesligisten länger als die sonst von der Deutschen Fußball Liga (DFL) erlaubten 15 Werktage als Chefcoach übernehmen. „Ich habe gefragt, ob ich dort von meinen Aufgaben bis Weihnachten freigestellt werden kann. Da habe ich grünes Licht bekommen. So kann ich mich der Mannschaft zu hundert Prozent hier vor Ort widmen“, sagte Kramer.
Im nächsten Jahr droht ihm aber ausgerechnet jene Doppelbelastung aus Lehrgang und Traineramt, an der Babbel einst beim VfB Stuttgart mit gescheitert war - falls Hoffenheims Manager Andreas Müller bis dahin nicht einen namhafteren Trainer verpflichtet hat, der die Kraichgauer vor dem Abstieg rettet. So gesehen hat Kramer nur zwei Spiele, in denen er beweisen kann, dass es auch mit ihm gehen würde: Gegen den HSV und am 16. Dezember gegen - Meister Borussia Dortmund. Für diese zwei Partien bekommt Kramer die Verantwortung übertragen, „möglicherweise aber auch darüber hinaus“, wie Manager Andreas Müller erklärte.
Nach den ersten Trainingseinheiten urteilte der Interimscoach: „Die Mannschaft wirkt aufmerksam, willig und bereit, die entsprechenden Aufgaben mit Konsequenz zu verfolgen.“ Zuletzt hatte der Tabellen-16. unter Babbel dreimal hintereinander verloren und nur einen Sieg in den vergangenen zehn Spielen eingefahren.
Hoffenheim muss ganz schnell punkten, denn der Abstand vom Relegationsplatz zum VfL Wolfsburg beträgt schon vier Punkte. Eine Hatz sondergleich beginnt mit dem Spiel für den HSV. 40 Minuten nach der Partie müssen die Akteure im Charterflugzeug sitzen, um in 16 Stunden ins 11 000 Kilometer entfernte Brasilien zu jetten. Dort trägt die Mannschaft neun Stunden nach Ankunft ein Einladungsspiel beim Erstligisten Gremio Porto Alegre zur Einweihung des neuen Stadions aus. Geschlafen wird im Flieger.
Die Spieler müssen nicht nur die Müdigkeit wegstecken, sondern auch den Temperaturschock. In Hamburg wird bei Minusgraden gefroren, in Porto Alegre bei 30 Grad geschwitzt. Am Sonntag trainiert das Team in Brasilien und kauft Weihnachtsgeschenke, ehe es am Montag 16 Stunden retour nach Hamburg geht. Ab Dienstag läuft die Vorbereitung aus das letzte Bundesligaspiel der Vorrunde bei Bayer Leverkusen.
Lohn der halben Weltreise in dreieinhalb Tagen sind 825 000 Euro. „Wir sind nicht in der Lage, im Moment so viel Geld auszuschlagen“, sagte Fink. „Wir tun alles für den Club, damit der Verein irgendwann finanziell wieder besser dasteht.“ Der Trainer will erst gar keine schlechte Stimmung aufkommen lassen und wischt Bedenken vom Tisch, der Stresse könnte sich negativ auswirken: „Man braucht nach so einer Reise 48 Stunden, um sich wieder zu erholen - und fertig.“
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Hamburger SV: Adler - Diekmeier, Mancienne, Westermann, Aogo (Lam) - Badelj - Skjelbred, Ilicevic - Arslan - Son, Rudnevs
1899 Hoffenheim: Casteels - Beck, Delpierre, Compper, Johnson - Rudy, Salihovic - Roberto Firmino, Volland, Usami - Joselu
Schiedsrichter: Weiner (Giesen)