Langer Weg: HSV-Zugang Jatta braucht noch viel Zeit
Hamburg (dpa) - Bälle sammeln, Zweikämpfe führen: Im Trainingslager des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV hat sich Bakery Jatta fast schon wie ein normaler Profi bewegt.
In der Schweiz nahm er an allen Trainingseinheiten teil. Beim 13:0 gegen den lokalen Sechstligisten US Schluein Ilanz trug der 18 Jahre Flüchtling aus Gambia zum ersten Mal das HSV-Trikot in einem Testspiel. „Er hat das schon ganz gut gemacht“, sagte HSV-Trainer Bruno Labbadia. „Aber wir müssen mit ihm auch noch viel arbeiten. Alles andere wäre ja Wahnsinn.“
Wahnsinnig ist die Geschichte des jungen Mannes, der vor seinem Engagement beim HSV — so sagen es internationale Fußball-Datenbanken — noch nie in einem Verein gespielt hat, ohnehin. Im vergangenen Jahr flüchtete er aus seiner Heimat, landete in einer Aufnahmeeinrichtung in der Nähe von Bremen. Von dort kam der Kontakt zum HSV zustande, wo er schließlich einen Dreijahresvertrag als Profi unterschrieben hat. Damit ist er der erste Flüchtling im deutschen Fußball-Oberhaus.
„Wir müssen ihm auch als Mannschaft helfen“, meint Torwart René Adler. „Und wir sollten alle die Erwartungen an Bakery herunterschrauben.“ Alles andere könne Jatta nur überfordern. Das hatte Labbadia schon gleich beim Trainingsauftakt in Hamburg bemerkt: „Er wusste gar nicht recht, wo oben und unten ist.“
Im Trainingslager in der Schweiz sah das alles schon geordneter aus. „Mit Ball lässt er erkennen, was er kann“, berichtet Labbadia, der Jatta als offensiven Mittelfeldspieler einsortiert hat. „Wie er mit seinen raumgreifenden Schritten über den Platz läuft — das war gut.“
Natürlich waren auch einige Sachen nicht so gut. Deswegen wird sich die Prognose von HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer wohl bestätigen. „Bakery ist für uns auch ein Projekt“, hatte Beiersdorfer vor Beginn des Trainingslagers gesagt. „Wir wollen ihm auf seinem Weg helfen und vielleicht auch Unterstützung bieten für andere Menschen, denen es so geht wie ihm.“
Im Gespräch mit dem vereinseigenen TV-Sender „HSV-Total“ hat Jatta unlängst gesagt, was ihn auf und neben dem Fußballfeld antreibt: „Ich möchte einfach nur eine bessere Zukunft haben“, sagte der Youngster: „In Afrika lernen wir Fußball, indem wir es einfach auf der Straße spielen. Und wir gucken Fußball im Fernsehen. Da lernt man auch.“
Lernen — immer wieder fällt dieses Wort. Im vergangenen halben Jahr hat Jatta die Schule besucht und Deutsch gelernt. Sein Alltag in Hamburg wird so organisiert sein, dass er dies weitermacht. Und was seine sportliche Perspektive angeht, verbieten sich voreilige Prognosen. Als Nicht-EU-Spieler ist Jatta für die U21 in der Regionalliga nicht spielberechtigt. So fehlt ihm das, was er dringend braucht — Spielpraxis. Jedenfalls dann, wenn ihm nicht sofort der Durchbruch in der Bundesliga gelingt. Das aber ist nicht absehbar. Fürs Erste tut es laut Coach Labbadia aber auch eine Portion Gelassenheit: „Wir schauen mal, wie er sich entwickelt.“