Der Bundesliga-Winter-Check 2015/16 In Gladbach beginnt jetzt André Schuberts Ära
Borussia Mönchengladbach vor dem Auftakt der Rückrunde am Samstag gegen den Tabellenzweiten Borussia Dortmund im Winter-Check.
Wo lagen die Stärken, wo die Schwächen in der Hinrunde?
Wie absurd diese Vorrunde für Borussia Mönchengladbach war, ist jedem bewusst. Der katastrophale Start mit fünf Niederlagen in Folge in der Liga hat die Ära von Lucien Favre beendet. Dass diese Wesensveränderung am Niederrhein nicht nachhaltig das Betriebsklima belastet hat, ist allein der darauf folgenden Erfolgsserie zu verdanken. Und der damit einher gehenden Tatsache, dass der seinerzeitige Interimstrainer André Schubert, dessen Vertrag inzwischen bis 2017 verlängert ist, sofort funktioniert hat. Gladbach spielte zuerst offensiv ohne Durchschlagskraft und defensiv wie aufgelöst. Unter Schubert gelang dann mit sichererer Abwehr und offensiverer Spielweise lange alles, ehe am Ende die Kräfte ausgingen und gegen Manchester City (2:4), in Leverkusen (0:5) und gegen Bremen im Pokal (3:4) auch die Balance verloren ging. Um es anders zu sagen: 34 erzielte Tore sind ein passabler Wert, 30 Gegentore aber viel zu viel für einen Tabellenvierten. Hier setzt Gladbach am Samstag gegen Borussia Dortmund (18.30 Uhr) an: Immerhin hat der BVB seit mehr als sechs Jahren nicht mehr im Borussia-Park gewonnen.
In welchen Mannschaftsteilen besteht noch Bedarf?
Der Kader ist ausgeglichen besetzt, Trainer Schubert verfügt über Alternativen. Zum Start fehlen aber noch die Dauerverletzten Alvaro Dominguez, André Hahn, Patrick Herrmann und Tony Jantschke — sowie auf der gesperrte Granit Xhaka. Herrmann kommt langsam zurück, trainiert aber noch nicht mit dem Team. Ziemlich sicher ist, dass Winter-Ausleihe Martin Hinteregger (kam von RB Salzburg) in der Innenverteidigung neben Andreas Christensen beginnt, Jonas Hofmann stärkt Schuberts Auswahl in der Offensive — beginnen wird er am Samstag wohl nicht, dürfte aber als Einwechselspieler gesetzt sein. Weil die Borussia über den vierten Platz in der CL-Gruppe die Europa League verpasst hat und auch im DFB-Pokal nicht mehr dabei ist, wird der vorhandene Kader ausreichen. Kommen soll niemand mehr, gehen wohl auch nicht. Als einziger Kandidat käme dafür der bislang enttäuschende Zehn-Millionen-Einkauf Josip Drmic in Frage, der mit den Stürmern Raffael, Stindl, Hrgota und Hazard wie auch auf der Außenbahn reichlich Konkurrenz hat.
Wo drohen Konflikte?
Im Offensivbereich ist Gladbach glänzend und wohl auch über Bedarf besetzt, wenn alle Verletzten zurückkehren. Sind Patrick Herrmann und André Hahn wieder im Kader, ist die Borussia auf den offensiven Außenbahnen gnadenlos überbesetzt. Das muss kein Nachteil sein, kann aber für Schubert einer werden, wenn es sportlich nicht laufen sollte. Erst dann entstünde Unruhe unter einem neuen Trainer, der sich in Krisensituationen noch beweisen muss. Ob Schubert die zuletzt fehlende Balance zwischen betörendem Offensivspiel und allzu legerer Defensivformation wiederentdeckt, wird für ihn und die Borussia auf dem Weg in den nächsten europäischen Wettbewerb entscheidend sein. Mancher ist sich da angesichts etwa eines 2:5 im Testspiel gegen Bochum noch nicht ganz sicher.
Wie wird sich der Kader im nächsten halben Jahr verändern?
Vor allem in der Defensive muss sich Gladbachs Kader verändern. Mit Martin Stranzl (35) und Roel Brouwers (34) werden zwei Innenverteidiger nicht jünger, beide Verträge laufen aus, die Leistungen der ersten Spiele in der Rückrunde werden entscheiden, ob für den Verein noch eine Verlängerung in Frage kommt. Es wird gepuzzlet: Martin Hinteregger wird nur gekauft, wenn er sich während seiner halbjährigen Ausleihe bewährt, Alvaro Dominguez muss jetzt trotz Vertrags bis 2017 liefern. Weil auch Christensen bis 2017 nur ausgeliehen ist, ist das Spiel in der Abwehr eines mit vielen Unbekannten. Und: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Borussia im Sommer mit Granit Xhaka und Harvard Nordtveit zwei Spieler gen Premier League nach England verliert. Für Xhaka (Vertrag bis 2019) würde es einen heftigen Millionenregen geben, des Norwegers Vertrag läuft aus — und Skandinavier haben zuerst England im Blick. Teammanager Max Eberl muss fleißig basteln. Bislang ist ihm das stets gelungen.
Wie viel Entwicklungspotenzial steckt im Kader?
Extrem viel. Der Kader durchsetzt von jungen Spielern, die einen langfristigen Vertrag und eine glänzende Perspektive vereinen. Borussia Mönchengladbach hat mit neu aufgeblühten Spielern wie Mo Dahoud oder Julian Korb erneut echte Werte geschaffen, zudem haben sich auf der linken Seite erfahrenere Kräfte wie Oscar Wendt oder Fabian Johnson zu ganz neuer Qualität aufgeschwungen, die ihren Marktwert und den Wert für das Team deutlich gesteigert hat. Die Balance stimmt.
Wie steht es um den Trainer?
André Schubert hat bislang vieles richtig gemacht, das war nach der langen und erfolgreichen Ära seines Vorgängers, der die Entwicklung des Clubs geprägt hat, auch notwendig. Jetzt erst beginnt Schuberts Ära. Nach seiner Vorbereitung, nach einer Winterpause, mit neuen Spielern und nach einer Zeit, in der der Einfluss Favre weit weniger spürbar sein wird, kommt es darauf an, ob Schubert aus der Borussia einen Kandidaten für die europäischen Plätze in der Bundesliga bastelt. Das ist Gladbachs Anspruch, das ist der Anspruch an den Trainer.