Münchner Meister-Express vorm Ziel
München (dpa) - Der graue Schalensitz von Uli Hoeneß auf der Tribüne blieb leer - unten auf dem Rasen aber war beim FC Bayern alles wie gewohnt:
Ungeachtet der Turbulenzen um den gestürzten Übervater besiegten die nun schon seit 50 Punktspielen unschlagbaren Münchner Fußball-Giganten den Sparringspartner Bayer Leverkusen mit 2:1 (1:0). Im Idealfall könnte sie nach dem 17. Sieg in Serie schon in Mainz die früheste Meisterschaft in 51 Jahren Bundesliga feiern. „Das wäre super, wenn es da schon klappen würde“, frohlockte Kapitän Bastian Schweinsteiger. Wenn die Bayern am kommenden Samstag gewinnen, ihre „Verfolger“ Dortmund und Schalke aber nicht, sind sie bereits am 26. Spieltag zum 24. Mal deutscher Meister.
Auf die obligatorischen Bierduschen konnte sich aber noch niemand beim Rekordchampion richtig freuen. Die Gedanken kreisten noch zu sehr um den zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilten Ex-Präsidenten. „Das erste Spiel ohne Uli Hoeneß ist ein komisches Gefühl, weil der Platz neben mir leer war“, gestand Karl-Heinz Rummenigge bewegt. Der Vorstandsvorsitzende ist ohne den „guten Freund“ an seiner Seite nun noch mehr gefordert: „Es wird nicht einfach sein, einen Mann wie Uli Hoeneß an der Spitze zu ersetzen.“ Der frühere Finanzvorstand Karl Hopfner (61) soll am 2. Mai zum neuen Präsidenten und Hoeneß-Nachfolger gewählt werden.
„Traurig“ gestimmt waren die Stars um Franck Ribéry nach den persönlichen Schicksalstagen des über Jahrzehnte mächtigsten Mannes beim Club-Weltmeister. „Für uns wird er immer Präsident Uli Hoeneß bleiben“, sagte Ribéry. „Er ist und bleibt für immer Mr. FC Bayern“, betonte auch Arjen Robben. „Es ist keine Stunde null, der Geist von Uli bleibt“, stellte Sportvorstand Matthias Sammer fest.
Es gab vereinzelte Solidaritätsbekunden der Anhänger auf Transparenten wie „Danke Uli für 40 geile Jahre“ . Und in der 75 Spielminute, als die Partie durch das 17. Saisontor von Mario Mandzukic (44.) und einen sehenswerten Freistoß von Schweinsteiger (52.) entschieden war, erklang plötzlich ein vieltausendfacher Chor in der mit 71 000 Zuschauern ausverkauften Arena: „Uli Hoeneß, Uli Hoeneß, Uli Hoeneß - du bist der beste Mann!“ Das Gegentor von Stefan Kießling in der Nachspielzeit verkam zur Randnotiz. „Das Spiel war kein Kracher“, meinte Nationalspieler Thomas Müller: „Aber 50 Spiele ohne Niederlage ist schon mal ein Wort. Und noch schlimmer (für die anderen) ist die Serie 17 Siege in Folge.“
Spätestens in der übernächsten Partie in Berlin am 25. März können die Münchner ihre Express-Meisterschaft aus eigener Kraft perfekt machen. „Jetzt brauchen wir noch ein, zwei Spiele, aber wichtig ist nicht, wann“, bemerkte Trainer Pep Guardiola, der seinen Fokus längst auf die weiteren Titel-Aufträge ausrichtet: „Wichtig ist, dass die Spieler die Spannung halten. Wir müssen uns weiter fokussieren und die Konzentration noch zwei Monate hochhalten.“
Es könnte allerdings ein Problem werden, auf Knopfdruck vom kaum noch fordernden Liga-Alltag auf das notwendige Top-Niveau in den K.o.-Spielen der Champions League und des DFB-Pokals hochzuschalten. „Die Situation jetzt ist eine Komfortsituation, aber man sollte daraus nicht in eine Komfortzone gehen“, mahnte Sportvorstand Sammer: „Darauf müssen wir schon sehr stark achten. Das wird Pep aber machen.“
Der Trainer muss die Stars bei Laune und im Rhythmus halten, was kein leichtes Unterfangen ist. Ribéry, Lahm, Martínez, Thiago, Alaba und Shaqiri saßen gegen Leverkusen auf der Ersatzbank, Dante und Pizarro standen nicht einmal im Kader. „Aus dem Bonus, den wir haben, sollte kein Malus werden“, bemerkte Sammer zu möglichen individuellen Unzufriedenheiten im Münchner Starensemble.
Echter Anlass zur Unzufriedenheit bestand eigentlich bei Bayer. Aber auch nach dem fünften sieglosen Spiel und dem Sturz auf Platz vier, der nicht mehr für die direkte Champions-League-Teilnahme reicht, herrschte keine Untergangsstimmung. „Die Mannschaft hat viel Charakter gezeigt“, meinte Trainer Sami Hyypiä.
Bayer war am 28. Oktober 2012 immerhin die letzte Mannschaft gewesen, die die Bayern in der Liga schlagen konnte (2:1). Aber von Augenhöhe war im Topspiel wenig zu sehen, vor allem nachdem Heung-Min Son die frühe Chance zum 0:1 versemmelt hatte (11.). „Die Art und Weise, wie wir gekämpft und geackert haben, war schon gut“, bemerkte Torwart Bernd Leno. Und dass die Bayern wieder Meister werden, stand für Bayer-Kapitän Simon Rolfes „schon im Oktober fest“.