„MV“ wird 80: Machtmensch und Multifunktionär
Stuttgart (dpa) - Für seine zahlreichen Gegner war der „tief Schwarze“ ein rotes Tuch. Egal ob in der Politik oder im Sport: Gerhard Mayer-Vorfelder polarisierte wie kaum ein Zweiter.
„Ich bin fast täglich im Schützengraben gestanden, um mich herum sind die Giftpfeile geschwirrt“, sagte der Machtmensch und Multifunktionär einmal stolz und selbstbewusst über seine tagtäglichen Kämpfe.
Egal ob als Präsident des VfB Stuttgart und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) oder als CDU-Minister im Ländle - Mayer-Vorfelder verstand es glänzend, sich trotz extremen Gegenwindes jahrelang in den diversen Spitzenpositionen zu halten. Dabei halfen ihm sein ausgeprägtes Gespür, seine taktische Gewieftheit und seine glänzende Vernetzung, obwohl er ein knallharter und häufig kompromissloser Konservativer war. „Ich war ein streitbarer Politiker“, sagte der Jubilar im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
„Ich war immer der, der ich war - mit allen guten und weniger guten Seiten. Wenn man Ecken und Kanten hat, bestimmte Auffassungen vertritt und nicht herumschwankt wie ein Grashalm im Wind, führt das natürlich dazu, nicht nur Freunde zu haben, sondern auch viele Gegner“, beschrieb der Mann mit dem griffigen Markenkürzel „MV“ sich selbst. „Ich bin ein Stück stolz darauf, dass ich mich in all den Jahren nicht habe verbiegen lassen.“
Mayer-Vorfelder vertrat nicht nur extrem konservative politische Positionen, er pflegte auch einen mitunter selbstherrlichen Führungsstil. Zugleich war der passionierte Kettenraucher und Vierteles-Schlotzer hemdsärmelig und herzlich, populistisch und zeitweise durchaus populär. Beeindruckend war das unglaubliche Arbeitspensum, das er selbst vor seinem Abschied von der großen Fußball-Bühne mit weit über 70 Jahren noch bewältigte. „Manchmal ist es viel geworden. Ich war pausenlos unterwegs“, räumte er ein.
Mayer-Vorfelder wurde am 3. März 1933 in Mannheim als Sohn eines Oberregierungsrats geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg und Heidelberg verschlug es den Badener beruflich nach Württemberg, zunächst 1959 als Regierungsrat nach Nürtingen. Nach seinem Wechsel ins Innenministerium startete der ehrgeizige und intelligente Jurist als persönlicher Referent des damaligen Ressortchefs und späteren Ministerpräsidenten Hans Filbinger seine politische Laufbahn.
Nach diversen Zwischenstufen auf der politischen Karriereleiter schaffte Mayer-Vorfelder schließlich 1980 den Sprung auf den Ministersessel: Zunächst im Bereich Kultus und Sport; von 1991 bis 1998 leitete er das baden-württembergische Finanzministerium. Wie auch im Sport überstand der CDU-Mann eine Reihe von Skandalen weitgehend unbeschadet. 2004 verurteilte ihn allerdings das Verwaltungsgericht Stuttgart zur Rückzahlung von 13 511 Euro Übergangsgeld. Mayer-Vorfelder hatte nach seiner Ministertätigkeit als Präsident des VfB Stuttgart eine Aufwandsentschädigung erhalten.
Bei den „Roten“ hatte der „Schwarze“ ein Vierteljahrhundert lang das Sagen. Nach einer Art Putsch ließ sich Mayer-Vorfelder 1975 - damals mit ungewohnt langen Haaren - zum Präsidenten wählen und hinterließ bei seinem Rücktritt 2000 dem Bundesligisten einen Schuldenberg in Höhe von etwa 15 Millionen Euro. Sportliche Höhepunkte waren die zwei Meistertitel (1984, 1992), ein DFB-Pokalsieg (1997), der Vorstoß ins Finale des UEFA-Cups (1989) und das Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger (1998).
„MV“ sah sich einmal nach eigener Einschätzung „in aller Bescheidenheit als Glücksfall für den VfB“. Dem schwäbischen Traditionsclub galt die innige Fußball-Liebe des Badeners. Sein „Lebensziel“ hatte er nach eigenen Angaben aber als DFB-Präsident (2001 - 2006) mit der Ausrichtung der WM 2006 im eigenen Land erreicht: „Das war das größte Erlebnis.“ Das „Sommermärchen“ war indes zugleich der Abpfiff für den da schon entmachteten „letzten Patriarchen“ (FAZ).
Nach der verpatzten EM 2004 und seinem missglückten Alleingang, Ottmar Hitzfeld als Bundestrainer verpflichten zu wollen, musste Mayer-Vorfelder beim größten Sportfachverband der Welt notgedrungen einen Kompromiss eingehen: Um seiner Abwahl zu entgehen, musste er Theo Zwanziger als Partner in der neuen Doppelspitze akzeptieren. „Natürlich haben MV und ich ... einige Sträußchen ausgefochten, aber das ist ausgeräumt und vergessen. Mittlerweile ist er mir längst ein Freund geworden“, sagte Zwanziger über seinen Weggefährten.
Mit Ministerposten, Landtagsmandat, Parteifunktion und VfB-Präsidentenamt war der umtriebige vierfache Familienvater offensichtlich noch nicht ausgelastet. Er wirkte auch in zahlreichen weiteren wichtigen und einflussreichen Positionen und Ämtern: Vorsitz im DFB-Ligaausschuss (1986 - 2000), Mitglied der FIFA-Exekutive (1992 - 1998 und 2002 - 2007), Mitglied des FIFA-Organisationskomitees für die WM 2006 (2001 - 2006), UEFA-Exekutivmitglied (2000 - 2009) und UEFA-Vizepräsident (2007 - 2009). Dass ihn der Weltverband 2007 zu seinem Ehrenmitglied ernannte, unterstreicht die herausragende Stellung des Fußball-Verrückten. „Ich bin wunschlos glücklich. Das Leben hat es mit mir gut gemeint“, zog er zufrieden Bilanz.