1899 Hoffenheim Nagelsmann: „Der nächste Schritt ein wirklich großer“
Zuzenhausen (dpa) - Zum Ende einer anfangs schwierigen und nun doch noch schwungvollen Saison mit einem verheißungsvollen Finale fühlt sich Julian Nagelsmann so richtig angekommen.
„Es heißt ja immer, man sei erst ein richtiger Trainer, wenn man auch mal eine Krise hatte. Die habe ich jedenfalls gemeistert“, sagt der immer noch jüngste Chefcoach in der Fußball-Bundesliga. Bei 1899 Hoffenheim gilt vor dem brisanten letzten Spiel gegen Borussia Dortmund mehr denn je: Der Trainer ist der Star. Der 30-Jährige könnte mit der TSG in der nächsten Spielzeit sogar erstmals in der Champions League wirbeln.
Nach wie vor gilt Nagelsmann als einer der begehrtesten Fußball-Lehrer der Branche - und hat wohl noch ein Jahr Zeit, sich weitere Karrierepläne in Ruhe zu überlegen. Zumal seine Fremdsprachenkenntnisse ausbaufähig sind: „Ich versuche immer mal, mit meinem Team Englisch zu sprechen“, erklärte er im SWR-Fernsehen. Bei Spanisch sei er „eher eine Energiesparlampe“.
Mäzen Dietmar Hopp will Nagelsmann jedenfalls nicht vor 2019 ziehen lassen, wenn die Ausstiegsklausel in dessen Vertrag zur Geltung kommen könnte. Bei den Dortmundern, gegen die Nagelsmann nun am Samstag (15.30 Uhr) um einen Platz in der Königsklasse kämpft, galt der Hoffenheimer lange als ganz heißer Kandidat. Sein künftiger Club, so Nagelsmann selbstbewusst, soll dann schon ein Verein mit internationalem Format sein. „Bei mir muss der nächste Schritt schon ein wirklich großer sein.“
Der Familienvater - die Hochzeit mit Verena fand im März statt, Sohn Maximilian ist drei - hat sich jedenfalls darauf eingestellt, dass sein Arbeitsplatz auch 2018/2019 das Trainingszentrum in Zuzenhausen sein wird. Und er versichert glaubhaft: „Es ist ein unglaublich toller Anreiz, junge Spieler zu integrieren oder Spieler wie Kevin Vogt und Benjamin Hübner zu holen und sie besser zu machen.“
In der Tat hat Nagelsmann auch in seiner zweiten kompletten Saison bei der TSG bewiesen, dass er dafür ein Händchen hat: Die Abgänge der Nationalspieler Sebastian Rudy, Niklas Süle und Sandro Wagner hat der „Trainer des Jahres 2016“ weggesteckt, da er Profis richtig stark machte: zum Beispiel Bundesliga-Novize Dennis Geiger, den defensiven Mittelfeldspieler Florian Grillitsch, die Bayern-Leihgabe Serge Gnabry oder Flügelspieler Nico Schulz. Auch für den kroatischen Torjäger Andrej Kramaric ist Hoffenheim „ein perfekter Ort, um sich zu verbessern“. Dass mit Gnabry (zurück nach München) und Mark Uth (zum FC Schalke 04) erneut mindestens zwei Stammspieler die Kraichgauer verlassen, beklagt Nagelsmann nicht: „Es ist unsere DNA: Wir müssen Spieler verkaufen.“
Zudem glänzt der Tabellenvierte mit seiner Fitness am Ende einer kräfteraubenden Runde, die Nagelsmann als „vielleicht insgesamt zu schwankend“ bezeichnet. Nach dem Aus in der Champions-League-Qualifikation gegen den FC Liverpool, den Lehrstunden in der Europa-League-Gruppenphase und dem zähen Start in die Rückrunde hatte der Jung-Trainer erstmals Kritik einstecken müssen. Und er tat sich schwer damit, nachdem er erlebt hatte, „dass man von den Medien mit dem schnellsten Aufzug nach oben geschossen wird“.
Dennoch hat sich „Harry“, wie er von Sportchef Alexander Rosen genannt wird, oder „Hacki“, wie ihn seine Kollegen im Trainerteam ansprechen, seine unnachahmliche ironische Art und vor allem seine ganz eigene Sprache bewahrt. Wenn er ganz locker drauf ist, hört sich Medienschelte dann so an: „Ich erklär' euch gleich nochmal, was ich gesagt hatte - und was ihr danach geschrieben habt.“