Nürnbergs Schützenverein nimmt FC Bayern aufs Korn
Nürnberg (dpa) - Europa im Visier und der verhasste FC Bayern in Sichtweite - dem 1. FC Nürnberg tun sich nach dem denkwürdigen 5:0-Torefestival gegen den FC St. Pauli mit dem Vierfach-Torschützen Christian Eigler völlig neue Perspektiven in der Fußball-Bundesliga auf.
Der „Club“ ist bereits sieben Spielen ohne Niederlage und nur noch drei Punkte schlechter als der taumelnde Rivale aus München. Und der internationale Wettbewerb ist für den erwachsen gewordenen Nürnberger „Kindergarten“ zehn Monate nach dem Fast-Abstieg keine Utopie mehr.
Die junge „Club“-Mannschaft und ihr besonnener Trainer lassen sich aber auch im fränkischen Fasching von ihren berauschten Fans nicht zum Narren halten und überhören hartnäckig die Europapokal-Gesänge aus der Stadion-Nordkurve. Die Europakarte habe er nicht studiert, versicherte FCN-Coach Dieter Hecking, „aber die Niedersachsenkarte habe ich drauf, da geht's am Samstag nach Wolfsburg“. Mit der Ruhe, Ordnung und Konsequenz, mit der seine „überragende Mannschaft“ gegen den völlig desolaten Aufsteiger selbst nach der klaren 3:0-Führung aufspielte, kann sich der „Club“ dennoch höhere Ziele setzen.
„Wir träumen nicht, sondern bleiben auf dem Boden“, widersprach Eigler nach seiner Tore-Show. Von den aktuellen Bundesligaprofis ist er nach Mario Gomez und Cacau der dritte Viererpack-Held. Gesänge unter der Dusche gab es nach dem höchsten Bundesligasieg seit dem 5:0 gegen den VfB Leipzig am 22. Oktober 1993 keine, erzählte Eigler: „Auch für ein 5:0 gibt es nur drei Punkte. Bei einem 5:0 gegen die Bayern würden wir heute natürlich länger ausgehen.“
Die Bayern spielten aber mit in Nürnberg. Als nach der frühen Führung durch Philipp Wollscheids (3.) erstes Saisontor und Eigler (14./17.) die einseitige Partie entschieden war, hielten bis zu Eiglers zweitem Doppelschlag (86./87.) auch die Zwischenstände aus Hannover das schadenfreudige Publikum in der Nürnberger WM-Arena bei bester Laune.
„Nürnberg ist die Mannschaft der Stunde“, lobte St. Paulis Sportdirektor Helmut Schulte ehrlich den Gegner. „Ich bin richtig stolz, wie die Mannschaft derzeit auftritt. Wir haben eine Phase, in der alles hundertprozentig läuft“, schwärmte Hecking über seine Jugendgruppe, „aber wir können das alles einordnen“. An der Vorgabe, wie in der Hinrunde 22 Punkte zu holen, habe sich nichts geändert.
Der FC St. Pauli war für den FCN ein Trainingspartner. „Für uns war das Spiel nach ein paar Minuten vorbei“, stellte Trainer Holger Stanislawski nach der Klatsche betroffen fest, „danach hatten wir keinen Zugriff mehr aufs Spiel, haben zu viele Fehler gemacht und keine Zweikämpfe gewonnen“. Ein einziger Torschuss in 90 Minuten sagte alles über den erstliga-untauglichen Auftritt. „Das war ein Schlag voll in die Fresse. Das Ding hat uns umgehauen“, beschrieb Verteidiger Ralph Gunesch die schmerzhafte Lektion drastisch.
Bei aller Kritik wollte Stanislawski aber nicht den Stab über seine Jungs brechen. „Man darf sich mal auf den Arsch setzen, muss dann aber wieder aufstehen können“, sagte der Pauli-Coach und versprach, dass seine Prügelknaben im Abstiegsderby am Sonntag gegen den VfB Stuttgart ein anderes Gesicht zeigen werden. „Aufstehen und besser machen“, forderte auch Gunesch, „in den kommenden Wochen gegen direkte Konkurrenz werden wir zeigen, was wir können“.