Phantomtor: Gisdol fordert Wiederholungsspiel

Frankfurt/Main (dpa) - Siegt der gesunde Menschenverstand oder die Macht der Fußball-Traditionalisten?

Nicht nur 1899 Hoffenheims Trainer Markus Gisdol schreibt der mit Spannung erwarteten juristischen Aufarbeitung des Phantomtors von Stefan Kießling durch das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes am Montag (10.30 Uhr) einen wegweisenden Charakter zu. „Ich sehe die Entscheidung als sehr weitreichend an. Es ist eine solch außergewöhnliche Situation, da geht es um mehr. Einen solchen Fall gab es noch nie, vielleicht muss man da auch mal ein Zeichen setzen. Das ist meine Aufforderung“, appellierte Gisdol.

Der Hoffenheimer Coach sprach sich noch einmal vehement für die Wiederholung der mit 1:2 verlorenen Partie gegen Bayer Leverkusen aus. „Wenn wir das Spiel nicht wiederholen, wird es in Zukunft so sein, dass bei außergewöhnlichen Situationen die Spieler fast dazu aufgerufen sind, lieber Mal nichts zu sagen, damit sie hinterher die drei Punkte haben. Im Umkehrschluss, wenn das Spiel wiederholt wird, weiß jeder Spieler, er ist aufgefordert zum Fairplay, also direkt hinzugehen und etwas zu sagen. Dann gibt es keinen Grund, die Partie zu wiederholen“, sagte Gisdol in der SPORT1-Sendung „Doppelpass“.

Einen prominenten Unterstützer erhielt Gisdol, der selbst bei der Verhandlung nicht anwesend sein wird und „jedes Ergebnis akzeptieren“ will, in UEFA-Boss Michel Platini. Der Präsident der Europäischen Fußball-Union sprach sich ebenfalls für ein Wiederholungsspiel aus. „Es wäre ein großartiges Zeichen von Fairplay, wenn beide Clubs sich einigen, das Spiel zu wiederholen“, sagte der Franzose. Auch die Mehrheit der Fans votiert für eine Neuansetzung des Skandalspiels.

Als Zeugen geladen sind Bayer-Torschütze Kießling, die beiden Greenkeeper der TSG Hoffenheim, die das löchrige Tornetz aufgehängt hatten, und das vierköpfige Schiedsrichter-Gespann um Felix Brych. Der Unparteiische wird sich wohl darauf berufen, dass es sich um eine Tatsachenentscheidung gehandelt hat. Auf dieses Prinzip pocht auch der Weltverband FIFA.

Gisdol ahnt daher, dass die Chancen auf einen Erfolg vor dem Sportgericht schlecht stehen. „Ich habe den Eindruck gehabt, in dieser Woche hat man sich ein bisschen hinter der FIFA versteckt. Ich weiß nicht, ob das richtig ist“, monierte er. „Wenn man von Tatsache spricht, ist erst einmal Tatsache, dass der Ball neben dem Tor war und nicht im Tor“, stellte Gisdol klar und appellierte: „Wir haben eine sehr große Chance, von Deutschland aus auch eine Vorbildfunktion zu übernehmen.“

Kritik am DFB äußerte der Sportrechtler Lothar Jordan. Der Vize-Präsident des Arbeitsgerichts Mannheim/Heidelberg sprach in einem Interview der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Samstag) von einer unbotmäßigen Einflussnahme durch DFB-Vizepräsident Rainer Koch, der die Chancen auf eine Wiederholung als „sehr gering“ bezeichnet hatte.

„Er gibt damit eine Prognose über den Ausgang eines Verfahrens vor dem eigenen Sportgericht ab - und drohte außerdem mit der FIFA“, erklärte Jordan zu den Koch-Äußerungen. „Das wäre in etwa so, als wenn mein Justizminister in der Öffentlichkeit den Ausgang eines Verfahrens bei mir voraussagen und zudem mit dem Europäischen Gerichtshof drohen würde. Diese Vorabeinschätzung hat mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nichts zu tun.“