Ratlos in Hoffenheim
Der Emporkömmling von einst ist innerlich zerrissen — und findet keinen Halt mehr.
Düsseldorf. Die Bilanz hat Marco Kurz zuerst erschreckt, dann hat er daran gearbeitet. Aber am Samstag, beim 1:2 im Bundesliga-Spiel von 1899 Hoffenheim bei Eintracht Frankfurt, musste der neue Hoffenheimer Trainer erleben, dass auch er das Problem nicht beseitigt hat.
Das Siegtor der Frankfurter fiel nach einem Eckball, und inzwischen ist die Zahl der Hoffenheimer Gegentreffer nach Standards erstaunlich: 18 — bei 43 Gegentoren.
Ein gewichtiges Problem, aber nur eines von vielen bei dem Club, der in der Saison 2008/2009 als „Aufsteiger vom Dorf“ noch zur Winterpause Tabellenführer der Eliteliga war. Die Gegenwart: Tabellenplatz 17, 13 Punkte, acht Zähler Rückstand auf Rang 15. Noch mehr als die sportliche Bilanz zermürbt die Macher die Stimmung im Kraichgau.
Gezeichnet von ständigen Trainer- (Ralf Rangnick, Marco Pezzaiouli, Holger Stanislawski, Markus Babbel, jetzt Marco Kurz) und Manager-Wechseln (Jan Schindelmeiser, Ernst Tanner, Babbel, jetzt Andreas Müller), ist auch die Philosophie des Vereins verwässert — und mithin die Stimmung umgeschlagen.
Längst wird Hoffenheim nicht mehr als honoriger Ausbildungsverein mit stringentem Jugendkonzept wahrgenommen. Jetzt steht die Abhängigkeit von Geldgeber Dietmar Hopp und das verzweifelte Streben der wechselnden Angestellten im Vordergrund, den Kahn mit fragwürdigen und oft überteuerten Personalien wieder flott zu bekommen.
Inklusive der fünf Winterzukäufe hat Hoffenheim in dieser Saison 17 neue Spieler verpflichtet. Verwaltet von einem neuen Trainer, der schwer an mancher alten Manager-Idee zu tragen hat. So stellt etwa Torwart Tim Wiese, den Babbel einst für einen Mentalitätswechsel verpflichtet hatte, eine Dauerbelastung dar. Auch gegen Frankfurt segelte Wiese am Eckball zum 1:2 und wie so oft auch an anderen Bällen vorbei — und wird vom gegnerischen Publikum stets verhöhnt.
„Diesen Ball verteidigt kein Torwart der Liga“, sagte hernach Trainer Kurz, aber auch diese verzweifelte Verteidigungsstrategie zeigt nur, wie sehr die Protagonisten um Halt kämpfen, ihn aber nicht finden. Helfen soll jetzt ein Spieler wie Eugen Polanski, der erst am Freitag für drei Millionen Euro von Europa-League-Aspirant Mainz gekommen war („Eine neue Aufgabe ist immer reizvoll“) — und sofort in der Startelf stand.
Nachdem die Nebengeräusche um den kuriosen Abgang des langjährigen Leistungsträgers Marvin Compper bei Manager Müller einen Wutausbruch ausgelöst hatten, legte am Samstag Tobias Weis nach. „Er hat uns ein bisschen im Stich gelassen“, klagte der Mittelfeldspieler in Richtung Compper, der zum AC Florenz wechselt.
Am Donnerstag endet die Wechselfrist. Bis dahin kann Manager Müller noch weitere Spieler holen. Amauri vom FC Parma, einst Nationalstürmer mit brasilianischen Wurzeln, soll kommen. Aber ob er das Problem löst?