Revolte auf Schalke? - Chef Tönnies bangt um Wiederwahl
Gelsenkirchen (dpa) - Bei Bier, Bratwurst und Frikadellen kann die königsblaue Gemeinde am Sonntag ab 18.00 Uhr einträchtig das EM-Achtelfinale der DFB-Elf gegen die Slowakei auf einer Großbildleinwand in der Arena verfolgen.
Ob Clemens Tönnies dazu noch Lust hat, ist ungewiss.
Der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 muss sich zuvor auf der Jahreshauptversammlung (13.04 Uhr) dem Votum der Mitglieder stellen. Tönnies, seit 1994 im Kontrollgremium und seit 2001 dessen Chef, steht als einer von vier Kandidaten für zwei freie Posten zur Wahl - und muss um sein Amt bangen.
Tönnies ahnt, dass es zugehen könnte wie bei den „Schlammschlachten“ in den 1980er und frühen 1990er Jahre, als Präsidenten schon mal im Handstreich gestürzt und installiert wurden. „Ich kann einiges ertragen und wegstecken, es geht aber nicht um mich“, sagte Tönnies im Interview des Magazins „11Freunde“. „Wir müssen vielmehr aufpassen, dass wir uns als Verein nicht blamieren bei dieser Veranstaltung. Es muss sachlich zugehen, sonst wird es eine Katastrophe“, fürchtet er. Jedes Jahr werde jemand zum „Sündenbock“ gemacht: „Letztes Jahr war es Horst Heldt, dieses Jahr war ich es.“
Lange war Tönnies in dem von großen Emotionen geprägten Traditionsclub unumstritten, auch wegen seiner finanziellen Potenz als milliardenschwerer Fleischfabrikant, seiner Kontakte in der Wirtschaft, seiner Beziehungen zur Politik. Und weil er mithalf, den Revierclub aus den Bundesliga-Niederungen herauszuführen, ihn zu konsolidieren und zu einer internationalen Marke aufzubauen.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Seit Monaten tobt ein Machtkampf mit gegenseitigen Verunglimpfungen und Vorwürfen. Sogar von Erpressungsversuchen ist die Rede. Die Opposition von Tönnies formiert sich: Der Ehrenrat musste sich ebenso einschalten wie Ehrenpräsident Gerd Rehberg.
Kritiker werfen dem 60 Jahre alten Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück Alleingänge, fehlende Distanz zu den Medien, Einmischung ins Tagesgeschäft und Geltungssucht vor. „Sie schaden unserem Verein“, lautete das Fazit dreier Aufsichtsräte in einem Schreiben, aus dem „11Freunde“ zitierte. Unter dem Titel „Der Gott des Gemetzels“ beschreibt das Magazin das Wirken des „Kotelett-Kaisers“ auf Schalke.
Auch der große Verschleiß an Trainern und Managern in seiner Amtszeit kommt nicht gut an. Beim letzten Saison-Heimspiel gegen Augsburg wurde Tönnies von den Fans ausgepfiffen, auf Plakaten und mit „Tönnies raus“-Rufen sein Rückzug gefordert. Sollten die Mitglieder ihm die Rote Karte zeigen, käme das einem Erdrutsch gleich.
Deshalb wirbt Tönnies seit Wochen um die Mitgliedergunst. In Interviews, auf Fan-Veranstaltungen. Trümpfe könnten die Verpflichtungen des neuen Sportvorstandes Christian Heidel und des neuen Trainers Markus Weinzierl sein. Beide gelten beim (mal wieder) geplanten Neuanfang als Hoffnungsträger und werden dem Spektakel vor erwarteten 10 000 Mitgliedern in der Arena beiwohnen.
Heidel ist als Redner eingeplant. Er stärkt Tönnies ebenso den Rücken wie Finanzvorstand Peter Peters, der die „destruktive Blockadepolitik“ einiger Aufsichtsräte kritisierte. Heidel sagte der Funke Mediengruppe: „Ich bin nicht trotz Clemens Tönnies gekommen, sondern wegen ihm. Er hat mich für Schalke 04 begeistert.“
Ein „Nein“ der Mitglieder würde den Machtmenschen Tönnies tief treffen, auch wenn er das nicht zugibt. „Ich bin selbstverständlich Demokrat. Wenn ich nicht wiedergewählt werde, setze ich mich nach der Versammlung in mein Auto, fahre nach Hause - und das war's!“, meinte er. Selbst die Dauerkarten für ihn und seine Ehefrau Margit wolle er selbst kaufen. Darüber hinaus kündigte er geheimnisvoll an: „Wenn ich gehe, dann mache ich dem Verein ein Abschiedsgeschenk - da fällt allen die Kinnlade runter.“ Es wird spannend - so oder so.