Schalke schwimmt auf Erfolgswelle - Tedesco macht es möglich
Gelsenkirchen. Dass ausgerechnet Peter Bosz die Erfolgsstrategie des Gegners auf den Punkt brachte, entbar nicht einer besonderen Ironie. „Man kann vielleicht sagen, sie spielen nicht immer schön.
Aber sie gewinnen ihre Spiele. Wir tun das nicht“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund über den ungeliebten Nachbarn, den der BVB am Samstagnachmittag zum 151. Revierderby empfängt. Der FC Schalke steht nach zwölf Spieltagen tatsächlich drei Punkte vor Borussia Dortmund auf dem zweiten Platz der Bundesligatabelle. Und so manch ein Anhänger der Königsblauen dürfte schon ganz entzündete Augen haben vom vielen ungläubigen Reiben unter der Woche.
Die Schalker schwimmen auf einer Erfolgswelle, die sie vor allem ihrem Trainer zu verdanken haben. Domenico Tedesco und der Klub haben sich offenbar gesucht und gefunden. „Es macht Spaß, Schalker zu sein und auf Schalke zu leben“, sagt der 32 Jahre alte Schwabe, der sich in seinem neuen Wohnort, der Kleinstadt Herten nahe Gelsenkirchen, mittlerweile wie zuhause fühlt. Und es gibt derzeit wohl keinen Verantwortlichen oder Fan des Klubs, der den Fußballlehrer lieber wieder in dessen Heimat sehen würde.
Tedesco ist es gelungen, was viele seiner Vorgänger nicht bewerkstelligen konnten. Die Mannschaft erweckt den Eindruck, dass sie einen klaren Plan hat und diesen auch strikt verfolgt. „Er ist ganz sachlich, sehr kritisch in der Analyse und bereitet uns gut vor “, sagt Torhüter Ralf Fährmann mit voller Überzeugung.
Während in den vorangegangenen Jahren das Schalker Personal vielfach qualitativ doch deutlich höher einzuschätzen war, so hinterließen die einstigen Mannschaften viel zu häufig den Eindruck, als seien sie weit hinter den eigenen spielerischen und vor allem taktischen Möglichkeiten zurückgeblieben. Die Schalke-Teams der Vorjahre lebten vor allem von den individuellen Qualitäten einzelner Spieler wie Raúl, Julian Draxler, Klaas-Jan Huntelaar oder auch Jefferson Farfan, die ihre Mannschaft mit den besten Absichten in schwierigen Momenten häufig in eine erfolgreichere Richtung lenkten. Der Individualismus überdeckte in der Vergangenheit häufig den Teamgedanken.
Die aktuelle Mannschaft agiert dagegen über die Gruppendynamik sowie über eine Herangehensweise, die nahezu allein über das Kollektiv gesteuert wird. Das Team ist in der Lage, sein Können nun regelmäßig hervorzuholen und auf dem Rasen zu zeigen. Auch wenn die Umsetzung meist wenig spektakulär ist, so ist sie erfolgreich und das arbeitsintensive Resultat vieler Trainingseinheiten. „Wenn ich die Wahl zwischen einer hungrigen und einer talentierteren Mannschaft hätte, würde ich immer die hungrigere nehmen“, sagt Tedesco.
Dem Schalker Trainer kam für diesen entscheidenden Entwicklungsprozess der eigentlich unerfreuliche Umstand zugute, dass sich der Klub erstmals seit längerer Zeit nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert hatte. „Auch wenn es schmerzhaft war, ist es ein Vorteil für uns. Man hat in der Woche mehr Zeit für das Training. Wir können neue Automatismen besser verinnerlichen und intensiver einstudieren“, sagt Fährmann.
Auch die aktuellen Schalker haben mit Leon Goretzka, der sich nach seiner Verletzungspause wieder als fit für das Revierderby zurückgemeldet hat, Fährmann oder auch Max Meyer außergewöhnliche Spieler in ihre Reihen. Diese stellen ihre individuellen Fähigkeiten mit dem sichtbaren Willen, etwa auch die unangenehmen Läufe und Zweikämpfe mit großer Verve anzugehen, in den Dienst der Mannschaft.
Und: Die Spieler sind dazu bereit, weiter hinzu zu lernen. Fährmann versucht sich nach den Vorgaben Tedescos mittlerweile immer besser am Aufbauspiel. Er agiert nun gezielten Pässen zum Mitspieler, anstatt den Ball wie in der Vergangenheit vor allem weit und ziellos in die gegnerische Hälfte zu schlagen. Und der einstige Zauderer und Unzufriedene, Max Meyer, findet sich derweil im defensiven Mittelfeld als Aufbauspieler wieder. Eine Position, die er sich selbst wohl kaum ausgemalt hatte und die er bislang motiviert und überzeugend interpretiert.
Flexibilität und die Überzeugungskraft sind es, die Tedesco bislang so auszeichnen. Er passt sich seiner Mannschaft und der des Gegners an. Ob er in der taktischen Grundordnung 3-4-3 oder 3-5-2 beginnt, ist für ihn aber halb so wichtig. „Wir dürfen die Kompaktheit nie verlieren, wollen viel laufen und haben gewisse Ideen, wie wir im Ballbesitz agieren möchten", lautet sein Credo auch vor dem Revierderby. Tedesco richtet seine Spielidee nach den Qualitäten seiner Spieler aus und nicht nach seinen Wünschen.
Und doch ist dieses Spiel auch für ihn Neuland, weil es sein erstes Ruhrgebietsderby ist. Die Aufgabe haben die Fans ihm nicht nur in Herten schon deutlich gemacht. „Trainer, alles scheißegal. Hauptsache du gewinnst das Derby“, sagte Tedesco und leistete sich ein breites Lächeln.