Schalke zu mutlos - Bayer siegt und verliert Reinartz
Leverkusen (dpa) - Roberto Di Matteo hatte die Hände tief in den Manteltaschen vergraben. Minutenlang und fast reglos stand der neue Schalke-Trainer nach dem 0:1 (0:0) im Bundesliga-Topspiel von Leverkusen an der Bande und musste sich den ausgelassenen Jubel der Bayer-Fußballer ansehen.
Di Matteo schien ratlos nach seiner ersten Niederlage mit den Königsblauen durch Hakan Calhanoglus Freistoß-Traumtor in der 53. Minute. Dabei wollten sie angreifen, wollten attackieren, um ihre schwache Bilanz als Gäste aufzubessern. Doch der Plan des Italieners, dem Leverkusener Pressing mit langen Bällen zu entgegnen, ging nicht auf. Am Ende musste Di Matteo die vierte Auswärts-Saisonniederlage und die Erkenntnis bilanzieren, dass „auf Schalke“ in der Nach-Keller-Ära noch längst nicht wieder alles so ist wie in der besten Erstliga-Rückrunde der Gelsenkirchener Vereinshistorie.
Elf Punkte und Rang zwölf entsprechen überhaupt nicht den hohen Ansprüchen. Konstanz ist ein Fremdwort; und selbst die Tatsache, dass S04 den Revier-Rivalen aus Dortmund hinter sich weiß, dürfte kein Trost sein - auch nicht für Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der sich sein Jubiläum von 20 Funktionärsjahren anders vorgestellt hatte.
Di Matteo, mit Chelsea Champions-League-Gewinner von 2012, blickte dennoch nach vorn. Mit einer klaren Forderung an seine Profis: Sie müssen endlich wieder als Team funktionieren. Zunächst indes musste er eines konstatieren: „Wir hätten etwas mutiger nach vorne spielen können.“ Das aber gelang zu selten, weil die Defensiv- und Mittelfeldspieler vor 30 210 Zuschauern in der ausverkauften BayArena zu wenig für die Offensive taten. Di Matteo: „Sie sind als Mannschaft nicht aufgerückt.“
Eines aber wollte der Jens-Keller-Nachfolger unmittelbar verlauten lassen: „Trotz der Niederlage werden wir uns weiter verbessern. Ich glaube, wir haben die Qualität.“ Das Team sei „lernwillig“ und „auf einem guten Weg“. Er habe aber schon vorzeitig gesagt, dass nicht alles auf einmal gehe. Auch Innenverteidiger Benedikt Höwedes zeigte sich optimistisch: „Ich bin guter Dinge, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben“, meinte der Weltmeister. Torjäger Klaas-Jan Huntelaar beurteilte das Geschehen kritischer: „Fußballerisch war das zu wenig.“
Bayer ist ungleich weiter, auch im Lernprozess. Chefcoach Roger Schmidt rückte erneut vom Fußball im Hurra-Stil ab, Goalgetter Stefan Kießling meinte, es sei „eigentlich scheißegal, wie wir gewinnen“. Und das tun sie mit deutlich mehr Pragmatismus - das 3:3 in Stuttgart nach einer 3:0-Führung zeigt weiter positive Wirkung. Kießling: „Wir haben leidenschaftlich gekämpft. Das war ein Schritt nach vorn.“
Es ging in der Tat leidenschaftlich zu. Zwei Szenen erregten Schmidts Gemüt: Marco Högers Ellenbogenschlag gegen Bayer-Mann Stefan Reinartz (18.) und Rot (85.) für dessen Ersatz Tin Jedvaj. Reinartz muss operiert werden und wird mit einem Bruch der Augenhöhle rund drei Monate ausfallen. „Das sieht nicht gut aus“, sagte Schmidt zur Reinartz-Blessur. Die beiden Aktionen seien „sehr hart“ gewesen. Schmidt: „Beide Dunkelgelb.“
Absicht wollte der Bayer-Coach Höger nicht unterstellen, gab aber dem Schalker Jan Kirchhoff eine mit. „Der lacht sich tot“, rief Schmidt den Unparteiischen zu. Denn nach Jedvajs rüder Attacke an dem Gelsenkirchener Ersatzmann wälzte sich Kirchhoff theatralisch am Boden, um im Anschluss an Manuel Gräfes „Rot“ sofort wieder aufzustehen. „Ihr fallt darauf rein“, ereiferte sich Schmidt Richtung Schiedsrichtergespann vor laufender TV-Kamera.