Veh-Rückkehr beim 5:4 zwischen „Himmel und Hölle“
Frankfurt/Main (dpa) - Der ganze Wahnsinn dieses Spiels stand Armin Veh ins Gesicht geschrieben. Der frühere Frankfurter und heutige Stuttgarter Trainer war noch eine Stunde später schweißnass.
Der 53-Jährige grinste breit über den vogelwilden 5:4 (2:1)-Sieg des VfB, aber er bekam auch ein schlechtes Gewissen, als die Führungsspitze der Eintracht auf ihn zukam. Vereins-Präsident Peter Fischer umarmte den Rückkehrer noch und gratulierte ihm anständig zu dem bislang torreichsten und spektakulärsten Spiel der gesamten Bundesliga-Saison. Finanzvorstand Axel Hellmann aber blieb daneben stehen und sagte nur: „Leg' den Mann übers Knie dafür!“
So kann man es natürlich auch sehen, was in diesem „Wahnsinns-Spiel“ (Veh) passierte. Sein Torschütze Martin Harnik pflichtete ihm bei: „Heute hat sich gezeigt, wie nah Himmel und Hölle im Fußball beieinander liegen.“ Frankfurts Alexander Meier kam zu einer ähnlichen Einschätzung: „Das war ein Spiel zwischen überragend und katastrophal.“
Zunächst lag die Eintracht mit 1:0 vorn, dann schien beim Stand von 3:1 für Stuttgart schon alles gelaufen zu sein. Binnen acht Minuten führte aber auf einmal wieder Frankfurt mit 4:3, ehe Timo Werner (81.) und Christian Gentner (85.) diesem Spektakel die letzte Wende gaben. Legt man nur die Leistungen beider Teams zugrunde, wäre ein 5:2 oder 6:2 für den spielerisch klar besseren VfB wahrscheinlich angemessen gewesen. Bei dem Festival der Fehler hätte es aber auch niemanden gewundert, wenn es am Ende 7:6 für die SGE geheißen hätte.
„Fußball ist geil. Für solche Spiele lebt man als Trainer“, sagte Veh. Für ihn wäre dieser Nachmittag aber selbst dann etwas Hochemotionales gewesen, wenn die Partie 0:0 ausgegangen wäre. Drei Jahre lang trainierte er die Eintracht mit großem Erfolg. Er hat in diesem Club noch immer so viele gute Freunde, dass er am Abend in Frankfurt blieb und sie zum Essen einlud. Mit seiner neuen Mannschaft hat er nun langsam so etwas wie ein Abonnement auf derart wilde Schlagabtausche. 10:10 lautet das Stuttgarter Torverhältnis aus den vergangenen drei Spielen, zuvor gegen Leverkusen machte der VfB aus einem 0:3 ein 3:3. „Das hat uns geholfen“, erklärte Veh. „Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass man immer zurückkommen kann.“
Geht es nach Kapitän Gentner, der bei diesem wichtigen Sieg genauso zwei Tore (51./85.) schoss wie Martin Harnik (34./36.), soll nun an die Stelle der großen Unterhaltung aber endlich die Konstanz treten: „Wir müssen jetzt auch lernen, dass so ein Spiel nach dem 3:1 für alle Beteiligten langweilig wird. Das ist noch ein langer Prozess.“
Von einem solchen „Prozess“ spricht auch Thomas Schaaf schon seit Monaten. Es ist nicht so, dass der neue Eintracht-Coach in Frankfurt im Schatten von Veh stehen würde. Schaaf erlebte am Samstag sein 750. Bundesliga-Spiel als Trainer und Spieler, er war in seiner Karriere erfolgreicher, als es Veh wahrscheinlich je werden kann. Aber die Rückkehr seines Vorgängers erinnerte im Stadion noch einmal jeden daran, wie Fußball in Frankfurt in der Vergangenheit meist aussah: rasant, kombinationssicher, gern auch ein wenig zu riskant. Das Spiel unter Schaaf dagegen steht zumindest bislang für kaum etwas: Viel Einsatz, ein paar gute Ergebnisse - sonst nichts. Gegen Stuttgart wirkte die Eintracht besonders konfus und orientierungslos.
„Heute haben wir uns die Beine selbst weggehauen“, sagte der 53-Jährige. Das größte Problem seines Teams sind die vielen haarsträubenden Ballverluste: „Solche Fehler, wie wir sie machen, und wie wir den Gegner zu Toren einladen: Das ist Wahnsinn“, klagte er. Nicht einmal die Treffer von Alexander Madlung (21./65.), Alexander Meier (57.) und Stefan Aigner (61.) konnten das ausgleichen.
Unermüdlich predigt Schaaf: „Wir brauchen Zeit und Sicherheit.“ Die Frage ist nur, wo diese Sicherheit herkommen soll, wenn der Trainer seine Spieler mit einem System aufs Feld schickt, das diese nicht kennen. Eine Dreierabwehrkette sollten sie am Samstag bilden, nach nur 20 Minuten war dieses Experiment schon wieder vorbei. Die nächsten Gegner heißen Hannover, FC Bayern, Mönchengladbach und Dortmund. Der Eintracht droht ein ungemütlicher Herbst.