Sieg des Willens gegen Stuttgart: Bayers spätes Glück
Leverkusen (dpa) - Ein Spiel dauert 90 Minuten. Bayer Leverkusen hat diese alte Fußball-Weisheit beherzigt und gegen den VfB Stuttgart in der Endphase noch die 2:1-Wende geschafft. Ein Kraftakt und großer Schritt zum direkten Einzug in die Champions League.
Selbst für den einst hartgesottenen Fußball-Profi Sami Hyypiä war das eine Tortur. „Die Tore kamen ein bisschen spät. Ich bin heute um fünf Jahre gealtert“, sagte der Teamchef des Bundesliga-Dritten Bayer Leverkusen nach dem zähen wie turbulenten Ringen um den 2:1 (0:1)-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart. „Dass wir den Abstand auf Eintracht Frankfurt vergrößern konnten, ist das Wichtigste an dem Spiel“, meinte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. Sieben Punkte liegt die Werkself im Kampf um den direkten Einzug in die Champions League nun vor den Hessen.
Dabei sah es gut 80 Minuten so aus, als würden sich die Gastgeber die Zähne an den schwäbischen Maurer-Meistern ausbeißen und dem 0:1 durch einen Foulelfmeter von Vedad Ibisevic (12. Minute) erfolglos hinterrennen. „Wir haben 90 Minuten auf ein Tor gespielt und Stuttgart hat mit Maus und Mann am eigenen Strafraum gestanden“, sagte Bayer-Torjäger Stefan Kießling. Deshalb war für ihn der Sieg „haushoch verdient“. 65:35 Prozent Ballbesitz und 31:5 Torschüsse belegen es.
Der Nationalstürmer im Wartestand sorgte mit einem verwandelten Handelfmeter (82.) - es war sein 16. Saisontreffer - für das 1:1, Lars Bender (86.) köpfte das Tor zum 2:1. „Was uns in diesem Jahr auszeichnet, ist diese Willenskraft zu gewinnen“, meinte Bender. Mit Blick auf die Auswärtsaufgabe bei Mainz 05 und den Heim-Hit gegen Bayern München seien die sieben Zähler Vorsprung auf Frankfurt „im Moment ein beruhigendes Polster“. Obwohl der Abstand zu Borussia Dortmund nur einen Punkt beträgt, ist Bender die mögliche sechste deutsche Vizemeisterschaft egal: „Wenn wir uns direkt für die Champions League qualifizieren, sind wir in Leverkusen zufrieden.“
Schließlich muss Bayer 04 in Mainz auf Innenverteidiger Philipp Wollscheid verzichten. Entwarnung gab es für Ömer Toprak, der sich das Knie verdrehte und in der 5. Minute ausgewechselt wurde. Die Untersuchung am Sonntag ergab, dass der türkische Nationalspieler sich eine leichte Kapselverletzung zuzog und nur einige Tage pausieren muss. Ob er in Mainz spielen kann, blieb noch offen.
Vielleicht finden Hyypiä und Cheftrainer Sascha Lewandowski dort wieder einen effektiven Schachzug wie gegen Stuttgart, als sie in der Pause für den „Sechser“ Stefan Reinartz den offensiveren Jens Hegeler aufboten. „Es ist wichtig, immer mal eine andere Antwort parat zu haben“, sagte der grippekranke Lewandowski, der nach einem Disput mit dem vierten Referee auf die Tribüne musste. „Ich bin zu emotional gewesen, das war ein Tacken zu viel“, übte er Selbstkritik.
Enttäuscht waren die Stuttgarter, dass in den letzten zehn Minuten das Erreichen eines Europacup-Platzes wieder in weite Ferne rückte. „Wir haben sehr leidenschaftlich verteidigt“, urteilte VfB-Coach Bruno Labbadia und begründete die exzessive Defensivtaktik mit der Vielfachbelastung: „Weil wir auf drei Hochzeiten tanzen, wollten wir es ökonomisch hinbekommen. Es ist sehr bitter.“ Auch Sportdirektor Fredi Bobic hatte trotz der Niederlage nur Lob für die Spieler parat: „Alle haben einen geilen Job gemacht. Es tut echt weh.“
Mit den Kräften haushalten werden die Stuttgarter weder am Donnerstag im Europa-League-Achtelfinale gegen Lazio Rom noch am Sonntag gegen den Hamburger SV können. „Am liebsten wäre mir ein Unentschieden und am schönsten wäre ein 1:0 oder 2:0“, wünscht sich VfB-Mittelfeldakteur Martin Harnik vor der Partie gegen die Römer, „dann müssten wir im Rückspiel nur 0:0 spielen.“