Abschied ohne Applaus Stögers BVB stolpert in die Königsklasse

Sinsheim (dpa) - Peter Stöger räumte seinen Stuhl blitzartig. Erst flüchtete der Trainer von Borussia Dortmund vor den Bierduschen, mit denen die Hoffenheimer Profis ihren Coach Julian Nagelsmann feierten, dann machte er seinen längst erwarteten Abschied offiziell.

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„Das war heute mein letztes Pflichtspiel für den BVB, das haben wir schon vor einiger Zeit gemeinschaftlich beschlossen. Ein neuer Reiz, mit einem neuen Trainer, wird dem Verein gut tun“, sagte der Österreicher nach der 1:3 (0:1)-Niederlage zum Bundesliga-Finale. Über seinen vermeintlichen Nachfolger Lucien Favre fiel aber noch kein Wort.

Der frühere Gladbacher Coach steht beim BVB offenbar ante portas - auch wenn Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte: „Heute verkünden wir erstmal gar nichts.“ Allerdings scheint es nur noch um den Zeitpunkt zu gehen, wann Favre offiziell beim Revierclub vorgestellt wird. Weil die Saison in Frankreich noch nicht beendet ist und der Tabellen-6. aus Nizza noch ein Spiel in Lyon bestreiten muss, erscheint eine Vorstellung des Schweizer Fußball-Lehrers in Dortmund schon in dieser Woche unwahrscheinlich.

Favre hätte jedenfalls viel zu tun, um diese Mannschaft wieder zu einem internationalen Spitzenteam zu formen. „Dass mein Nachfolger mehr Stabilität reinbringen kann, das ist mein Wunsch. Dass sie die Champions-League-Qualifikation auch auskosten können“, sagte Stöger. Sportdirektor Michael Zorc meinte: „Wir haben viele Baustellen gehabt und haben sie auch aktuell.“

Auch Reinhard Rauball war mächtig erleichtert. „Ich habe mich bis jetzt noch nicht davon erholt, was sich da gestern abgespielt hat“, kommentierte der BVB-Präsident im WDR-Hörfunk den nervenaufreibenden Showdown. „Ich freue mich nun über jeden Tag Pause. Es war eine sehr anstrengende Saison.“

Als Tabellenvierter hat Stöger die Mission Champions League gerade noch so erfüllt - trotz einer Abschlusspartie, in der Hoffenheim dem BVB Leidenschaft und Entschlossenheit vorlebte und vom dritten Rang verdrängte. „Erleichterung ist das richtige Wort. Zufrieden können wir nicht sein. Was wir diese Saison abgeliefert haben, müssen wir kritisch analysieren“, sagte Watzke beim TV-Sender Sky.

„Gleichwohl ist am Ende das Ziel Champions League erreicht“, fügte er an und bedankte sich bei Hannover 96 für die Schützenhilfe im Fernduell mit Bayer Leverkusen. Im Anschluss schritt Watzke mit finsterer Miene aus den Katakomben. Wie einer, der sein Ziel erreicht hatte, sah er wahrlich nicht aus. Und auch die Fans ließen ihre einstigen Helden spüren, was sie vom erneut lustlosen Auftritt hielten: Gefeiert wurde wie in der Vorwoche nur Roman Weidenfeller, der mit einem Kurz-Einsatz in der Nachspielzeit seine Profikarriere beendete.

Der 52 Jahre alte Stöger wirkte sichtlich erleichtert, dass fünf unruhige und wechselhafte Monate vorbei sind: „Ich bin froh, dass wir es ins Ziel geschafft haben“. Er wird das Team noch im Freundschaftsspiel am Montag beim FSV Zwickau, beim Blitzturnier in Herne am Donnerstag und auf dem anschließenden Kurz-Trip nach Los Angeles begleiten. „Danach werde ich nach Hause gehen, nach Wien, die Zeit genießen und schauen, was kommt.“

Einen erneuten Blitzwechsel will er sich nicht mehr antun: „Länger Pause als nach Köln brauche ich auf jeden Fall.“ Stöger hatte den BVB als Nachfolger von Peter Bosz auf Rang acht übernommen, sein Vertrag war bis zum Saisonende befristet.

Das frühzeitige Scheitern in der Europa League, ein 0:6 beim FC Bayern und ein schwacher Auftritt im Derby auf Schalke (0:2) wogen in der Gesamtbeurteilung seiner Arbeit schwer. Von den Tempo-Auftritten der Ära Jürgen Klopp oder dem erfolgreichen Ballbesitz-Fußball unter Thomas Tuchel entfernte sich der BVB immer mehr - und am Ende stimmten auch die Ergebnisse nicht mehr.

So erlebte Stöger bei seinem letzten Pflichtspiel-Auftritt für Dortmund ein Spiegelbild der Saison: Torhüter Roman Bürki patzte beim 0:1 durch Andrej Kramaric (26. Minute), auch Adam Szalai (63.) und Pavel Kaderabek (74.) wurde das Tore schießen leicht gemacht. Der zwischenzeitliche Ausgleich von Marco Reus (58.) half nicht, Weltmeister Mario Götze blieb im letzten Spiel vor der Nominierung von Bundestrainer Joachim Löw ohne jede Einsatzminute.

Gnadenlos analysierte Nuri Sahin die Saison. Die emotionale Sichtweise, so der Mittelfeldspieler, sei: „Minimalziel erreicht, auf gut deutsch: Leck mich am Arsch, wir haben uns qualifiziert.“ Ansonsten: „Trainerwechsel vor der Saison, Trainerwechsel in der Saison, Streit mit einem Spieler, der für uns sehr, sehr wichtig war, der dann weggehen wollte“ - Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang, der nach viel Theater im Januar zum FC Arsenal abwanderte. Man habe viele Probleme gehabt, auch in der Kabine. „Es war einfach nicht mehr drin. Ich wünsche uns allen sehr, sehr viel Selbstkritik“, sagte Sahin und mahnte: „Wir müssen alle wieder zueinander finden.“