Trainer leiden mit Rangnick - Klagen über Stress

Frankfurt/Main (dpa) - Geschockt, aber auch voller Respekt hat der deutsche Fußball auf den Rücktritt von Ralf Rangnick reagiert. Gleichzeitig setzt ein Nachdenken über den Stress in der Branche ein.

„Es verwundert mich nicht, dass auch Bundesliga-Trainer dieser Managerkrankheit verfallen. Es ist auch für mich wichtig, mich zu disziplinieren und bewusst zu machen, wie wichtig geistige und emotionale Regeneration sind“, sagte der Mainzer Coach Thomas Tuchel, räumte aber auch ein: „Es tatsächlich umzusetzen, ist aber schwer. Denn das Rad dreht sich immer weiter. Ich kann nachvollziehen, dass das Gefühl entsteht, eine Pause zu brauchen.“

Rangnick hatte mitgeteilt, er sei „aufgrund eines Erschöpfungssyndroms momentan nicht in der Lage, die Kraft und Energie aufzubringen, die Mannschaft weiter zu führen“. Der 53-Jährige hatte im März als Nachfolger von Felix Magath das Amt beim FC Schalke 04 übernommen. „Ich bewundere Ralf Rangnick dafür, dass er diesen Schritt gemacht hat“, sagte Magath, Trainer des VfL Wolfsburg. Die Entscheidung, sich vorübergehend aus der Bundesliga zurückzuziehen, verdiene „allerhöchsten Respekt“.

Bundestrainer Joachim Löw bezeichnete den Rücktritt Rangnicks als „mutige und richtige Entscheidung“. In einer vom Deutschen Fußball-Bund verbreiteten Erklärung sagte Löw weiter: „Das zeugt auch von Stärke, wenn man spürt, dass der Akku leer ist und man das offen zugibt. So überraschend für alle seine Reaktion ist, sie ist konsequent, denn er hat damit klar gemacht, dass die Gesundheit über allem steht. Ich wünsche jetzt Ralf eine gute und baldige Genesung.“

„Natürlich bedauere ich den Rücktritt von Ralf Rangnick, den ich als Trainer sehr schätze. Allerdings habe ich auch großen Respekt vor seiner Entscheidung und der Tatsache, dass er mit seiner Erkrankung öffentlich umgeht“, sagte Theo Zwanziger der „Bild“-Zeitung. Der DFB-Präsident erinnerte dabei auch an das Schicksal des ehemaligen Nationaltorwarts Robert Enke: „Vielleicht hat sich die Situation im harten Profigeschäft Fußball aufgrund der vielen Diskussionen nach dem tragischen Tod von Robert Enke ja doch ein klein wenig verändert. Vielleicht werden Schwächen und Krankheiten eher toleriert und respektiert als noch vor knapp zwei Jahren.“

Der Leverkusener Coach Robin Dutt betonte, dass es in seinem Berufsstand sehr wichtig sei, „sich selbst Freizeit aufzuerlegen und Vertraute an der Seite zu haben, die einen warnen“. Die Fälle von Enke, Hannovers Ersatztorhüter Markus Miller und jetzt Rangnick könne man nicht pauschalisieren, sagte Dutt: „Jeder hat seine eigene Geschichte.“ Aber: „Wir müssen alle akzeptieren, dass Fußball nicht das Wichtigste auf der Welt ist.“

Bundesliga-Novize Marcus Sorg hat nach nur wenigen Wochen im Job erfahren, wie nervenaufreibend und anstrengend dieser ist. „Wenn man heutzutage in der Öffentlichkeit steht, kann ich schon nachvollziehen, dass man nach Jahren schon mal eine gewisse Leere verspürt“, sagte der Coach des SC Freiburg. „Der Trainerjob ist sehr stressig, es ist alles sehr personenbezogen. Du stehst als Trainer total im Fokus und hast nicht die Möglichkeit, wie die Spieler dich auf dem Platz auszupowern.“

Zweitliga-Coach Claus-Dieter Wollitz (Energie Cottbus) zeigte sich „schwer erschüttert“ von Rangnicks Erkrankung. „Es zeigt auch, dass dieser immense Druck von außen und innerhalb der Vereine immer wieder zu solchen Burnouts führen.“ Leverkusens Dutt erklärte: „Wenn man den Ralf kennt und weiß, wie sehr er Fußball lebt, kann ich mir vorstellen, wie schwer ihm dieser Schritt gefallen sein muss. Das ist eine sehr traurige Nachricht, denn Ralf hat den Weg für die neue Trainergeneration geebnet.“

Rangnicks Gang an die Öffentlichkeit hat ihm bei den Verantwortlichen in der Fußball-Szene Hochachtung eingebracht. „Ich glaube und hoffe es nicht, dass diese ehrliche und offene Begründung seiner Karriere schaden wird“, sagte Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl. Dortmunds Meistertrainer Jürgen Klopp sagte: „Ich kenne Ralf Rangnick als extrem engagierten, superehrgeizigen und als streitbaren Kollegen, den ich in vergangen Jahren schätzen gelernt habe. Die Öffentlichkeit sollte das Thema nicht so hoch hängen und ihn in Ruhe gesund werden lassen.“