Transferbilanz der Hinrunde: Herthas Spürsinn, VfB-Flops

Frankfurt/Main (dpa) - Das Eigentor des Jahres wurde Ende Mai auf einem Pressepodium geschossen. Dort saß Robin Dutt als Sportvorstand des VfB Stuttgart und kritisierte vor laufenden Kameras die Arbeit seines Vorgängers.

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Von „wenig sportlicher Kompetenz“ im Verein war da die Rede. „Bei der Kaderplanung war keine Struktur zu erkennen.“ Ein halbes Jahr später sieht es so aus, als habe Dutt bei der eigenen Kaderplanung kaum mehr Kompetenz gezeigt. Von den acht Neuzugängen des vergangenen Sommers haben sechs dem VfB bislang nicht weitergeholfen. Der neue, von Dutt engagierte Trainer Alexander Zorniger musste schon nach viereinhalb Monaten wieder gehen.

Der VfB Stuttgart ist in dieser Saison das Extrembeispiel für verfehlte Transferpolitik, der Überraschungs-Dritte Hertha BSC das genaue Gegenteil. Am 1. Januar beginnt für vier Wochen eine neue Wechselfrist, dann können die 18 Vereine der Fußball-Bundesliga ihre Fehler aus dem Sommer korrigieren oder aber ein funktionierendes Team noch weiter verstärken. Vorab ein Überblick, wo Transfers in der Hinrunde besonders viel oder besonders wenig gebracht haben.

DIE SPÜRNASEN: HERTHA BSC

Dass die Berliner völlig überraschend auf Platz drei der Bundesliga und im Viertelfinale des DFB-Pokals stehen, hat auch etwas mit ihrem erfolgreichen Kaderumbau zu tun. Der in Stuttgart aussortierte Vedad Ibisevic schoss für die Hertha sechs Tore in nur zehn Spielen. Die Junioren-Nationalspieler Mitchell Weiser und Niklas Stark hätten andere Clubs auch gern geholt. Vor allem aber wurde der vom SC Freiburg geholte Tscheche Vladimir Darida „aus dem Stand zum Herz und zur Lunge unseres Spiels“, wie Sportchef Michael Preetz erklärt.

Die Hertha ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass man solche Transferbilanzen nie zu früh ziehen sollte. Salomon Kalou galt noch vor wenigen Monaten als Fehleinkauf. In dieser Saison aber schoss der Ivorer bereits zwölf Pflichtspiel-Tore. Eine solche Entwicklung lässt auch Dutt und den VfB Stuttgart noch hoffen.

DIE VEREDLER: FC BAYERN MÜNCHEN

Wie soll man diesen Kader überhaupt noch verstärken? Das dachten im Sommer viele beim Blick auf die Mannschaft des FC Bayern. Doch der deutsche Serienmeister schaffte das tatsächlich. So ließ etwa die 30-Millionen-Euro-Rakete Douglas Costa beinahe komplett vergessen, dass Franck Ribery über Monate ausfiel. Auch der Gedanke an das fortgeschrittene Alter von Arjen Robben oder Xabi Alonso macht die Bayern-Führung nicht mehr nervös. Die jungen Kingsley Coman und Joshua Kimmich wurden mit Bedacht als mögliche Nachfolger geholt.

DAS MULTIMILLIONEN-PROJEKT: VFL WOLFSBURG

Rund 80 Millionen Euro gab der VfL Wolfsburg im Jahr 2015 für die Nationalspieler André Schürrle, Julian Draxler und Max Kruse aus. Das bittere Zwischenfazit: Am vorletzten Hinrunden-Spieltag wurden vor allem Draxler und Schürrle von den eigenen Fans ausgepfiffen. Hat der Pokalsieger und Vizemeister also rund 80 Millionen sinnlos verbraten? Das wäre zu einfach, denn das Gesamtbild ist komplex. Erst nach dem dritten Spieltag verkaufte der VfL für rund 90 Millionen seinen besten Spieler Kevin De Bruyne und auch dessen Nebenmann Ivan Perisic. Beide zu ersetzen, ist nicht leicht. Zumal der eigens dafür verpflichtete Draxler erst nach dem Ende der Saisonvorbereitung kam.

DIE RECYCLER: SV DARMSTADT 98

Das Darmstädter Erfolgsrezept klingt simpel und ist seit mehr als zwei Jahren bewährt: Die „Lilien“ holen Spieler, die anderswo gescheitert sind und die deshalb auch niemand sonst mehr haben wollte. Auf diesem Weg kamen unter anderen der Stuttgart Konstantin Rausch, der Berliner Sandro Wagner oder der Frankfurter Jan Rosenthal nach Darmstadt. Sie alle trugen mit dazu bei, dass der Aufsteiger in dieser Saison noch nicht einmal auf einem Abstiegsplatz stand.

VON CHICHARITO BIS ERDINC: DIE TOPS UND FLOPS

Wann hat Javier „Chicharito“ Hernandez eigentlich mal nicht getroffen für Bayer Leverkusen? Das kam in den vergangenen zwei Monaten nur einmal vor - beim 1:1 gegen Schalke. Der Stürmer aus Mexiko ist der wohl beste, wenn auch mit rund zwölf Millionen Euro Ablösesumme sicherlich nicht billigste Einkauf dieser Saison. In 25 Pflichtspielen für Leverkusen schoss er bereits 19 Tore.

Der türkische Nationalstürmer Mevlüt Erdinc ist davon bei Hannover 96 weit entfernt. Seine Bilanz: elf Bundesliga-Spiele, null Tore, rund 3,5 Millionen Euro Ablösesumme. „Ein großes Missverständnis“, sagt Vereinsboss Martin Kind. Erdinc soll in der Winterpause wieder gehen.

Manchmal passieren auf dem Transfermarkt die merkwürdigsten Dinge. 1899 Hoffenheim etwa holte im Sommer gleich drei neue Stürmer (Uth, Kuranyi, Vargas), die aber zusammen nur zweimal trafen. Eintracht Frankfurt dagegen beklagte über Monate große Schwächen links vorne und rechts hinten und tat dann auf beiden Problempositionen: nichts. Borussia Dortmund zu guter Letzt gab seit 2013 mehr als 80 Millionen Euro für neue Spieler aus. Die beste Investition davon waren rund 2,5 Millionen in den 19-jährigen Julian Weigl aus der 2. Liga.