Völler: „Unser Wunschziel ist die Champions League“
Zell am See/Kaprun (dpa) - Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen ist wie in den vergangenen Jahren im Trainingslager in Kaprun/Zell am See. Dort findet man laut Rudi Völler optimale Bedingungen vor.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußerte sich der 56 Jahre alte Sportdirektor am Freitag zu den Saisonzielen, der Transferpolitik und dem Rücktritt von Bastian Schweinsteiger aus der Nationalmannschaft.
Sie sind mit Bayer Leverkusen wieder im Trainingslager im Salzburger Land. Sind Sie mit der bisherigen Vorbereitung zufrieden?
Rudi Völler:Wir haben ja schon einige Wochen hinter uns. Das Wichtigste ist, dass die Verletzungsliste nicht zu lang wird. Stefan Kießling wird mit seinen Hüftproblemen noch eine Zeit lang ausfallen. Julian Baumgartlinger hat Adduktorenprobleme. Da hoffen wir, dass es in Kürze weitergeht. Die Bedingungen hier in Österreich sind optimal, der Trainingsplatz, das Hotel, das passt. Wir wollen uns top vorbereiten. Wenn dann noch die Sonne scheint...
Wie schwer wiegt es, dass Julian Brandt und Lars Bender durch Olympia einen Teil der Vorbereitung verpassen?
Völler:Wir haben uns das reichlich überlegt. Für uns war schnell klar, dass wir Julian, der dann nicht bei der EM war, und Lars abstellen. Dass sie jetzt fehlen, sollte kein Problem sein. Spätestens nach der Länderspielpause Anfang September sind sie ja wieder normal dabei. Je nachdem, wie weit die Mannschaft kommt.
Kevin Volland und Julian Baumgartlinger gelten als Königstransfers. Wie verläuft die Integration der Neuen?
Völler:Kevin harmoniert schon gut mit seinen Sturmkollegen. Das hat er auf beeindruckende Weise bereits gezeigt, in den Tests sechs Tore erzielt. Julian konnte sich durch die Adduktorenprobleme noch nicht so in den Vordergrund spielen. Aber wir wissen ja, was er kann.
Bis auf Christoph Kramer wurde kaum ein namhafter Spieler abgegeben. Wie ist es gelungen, fast alle anderen Leistungsträger wie Karim Bellarabi, Ömer Toprak, Hakan Calhanoglu oder Chicharito zu halten?
Völler:Zunächst einmal haben wir uns in den vergangenen Jahren zu einem Verein entwickelt, der größtenteils auch die Spieler bekommt, die er haben will. Wichtig ist, dass wir ihnen eine Perspektive geben und eine sportliche Herausforderung. In den zurückliegenden sechs Jahren waren wir fünfmal in der Champions-League-Gruppenphase. Weil wir gut gewirtschaftet haben, sind wir auch in der Position, mal 'Nein' sagen zu können. Bei Ömer Toprak gab es Gespräche mit den Dortmundern. Am Ende hat es nicht geklappt. Er bleibt, das Ding ist durch. Er wird hier weiter klasse Leistungen abliefern. Das ist ein super Junge.
Sind weitere Transfers geplant, oder schließen Sie das aus? Wie sieht‘s mit Aleksandar Dragovic aus, der von Dynamo Kiew kommen soll?
Völler:Da sind wir weiter in Verhandlungen. Aufgrund der Tatsache, dass Ömer bleibt, sehen wir das aber sehr gelassen. Wir werden sicher noch den einen oder anderen Spieler verleihen. Das kann immer passieren. Aber von den Leistungsträgern wollen wir keinen abgeben. Als wir in der vergangenen Saison viele Spiele und gleichzeitig viele Verletzte hatten, hätten wir fast unsere Saisonziele verspielt. Da wollen wir diesmal gewappnet sein. Ab September haben wir bis Weihnachten fast alle drei Tage ein Spiel.
Was sagen Sie generell zu den explodierenden Ablösesummen?
Völler:Das Rädchen kann man nicht mehr zurückdrehen. Es ist mehr Geld im Umlauf. Manchmal profitiert man davon, dass man viel Geld für einen Spieler bekommt. Manchmal muss man mehr bezahlen. Das ist ein Kreislauf. Dass du für einen Spieler wie Mats Hummels, der nur noch ein Jahr Vertrag hatte, fast 40 Millionen Euro bekommst, das ist schon enorm. Auch wenn er Weltklasse ist.
Wie lauten Bayers Saisonziele, und wer sind die größten Konkurrenten?
Völler:Wir wollen definitiv wieder ins internationale Geschäft. Das absolute Minimalziel ist die Europa League, Wunschziel wieder die Champions League. Aber das wollen andere Clubs auch. Die Bayern sind sowieso immer dabei, Dortmund normalerweise auch. Neben uns kommen noch Mönchengladbach, Wolfsburg, Schalke, die üblichen Verdächtigen. Es wird schwer genug, uns die, die an uns vorbei wollen, vom Leib zu halten. Unser Ziel ist, den Abstand auf Dortmund zu verkürzen. Aber der BVB ist schon die zweite Kraft.
Sind die Bayern in der Liga überhaupt zu stoppen, oder stehen sie als Meister im Prinzip schon vorher fest?
Völler:Die Bayern waren dreimal hintereinander im Champions-League-Halbfinale. Auch wenn sie am Ende nicht den Titel geholt haben, sind sie für mich die beste Mannschaft in Europa. Wir sind ja froh, dass wir sie in der Bundesliga haben. Aber man darf auch nicht rumspinnen. Wenn sie überhaupt eine Schwachstelle hatten, dann vielleicht auf einer Innenverteidiger-Position. Das Problem haben sie mit Mats Hummels gelöst und gleichzeitig Dortmund geschwächt. Sagen wir mal so: Für Carlo Ancelotti wird es sehr schwer, mit den Bayern nicht Meister zu werden.
Als DFB-Teamchef haben Sie Bastian Schweinsteiger 2004 in die Nationalelf geholt. Was sagen Sie zu seinem Rücktritt?
Völler:Das ist ein Rücktritt, der ein bisschen zu erwarten war. Ich freue mich über die tolle Karriere, die er gemacht hat. Davor muss man den Hut ziehen und ihm Respekt zollen, dass er jetzt sagt, es ist vorbei. Bastian ist Weltmeister geworden, mehr geht dann sowieso nicht. Er hätte gern bei dieser EM noch mal was gerissen, was sicher möglich war. Es hat nicht geklappt. Aber er kann voller Stolz sagen: Ich habe alles erreicht.“
ZUR PERSON:Rudolf „Rudi“ Völler (56) wurde als Spieler 1990 Weltmeister mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Mit Olympique Marseille gewann er 1993 die Champions League, zuvor war er bei AS Rom aktiv. In Deutschland spielte der in Hanau geborene Völler für Kickers Offenbach, 1860 München, Werder Bremen und Bayer Leverkusen. Von 2000 bis 2004 war er DFB-Teamchef und führte Deutschland bei der WM 2002 ins Finale. Nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2004 in Portugal trat er als Teamchef zurück. Seit Januar 2005 ist Völler Sportdirektor beim Bundesligisten Bayer Leverkusen.