Herrlich verrückte Bundesliga Warum die Liga auch ohne Weltstars und internationale Dominanz eine Klasse für sich ist
Osnabrück · Tempo, Tore. und Typen, Spannung, Stimmung und Spektakel: Der zehnte Spieltag der 57. Saison in der Fußball-Bundesliga riss alle von den Sitzen.
35 Tore – so viele wie noch nie in dieser Saison – krönten einen Spieltag zum Einrahmen. Die Bundesliga ist immer noch eine Klasse für sich. Wer vermisst die Weltstars, warum müssen die Einfallstore für Investoren geöffnet werden, was vermisst der Fußball-Fan denn wirklich an dieser Liga?
Mitte November erscheint ein Buch mit dem Titel „Als es den Bayern noch ans Leder ging – zumindest manchmal“. Darin erzählt Autor Albrecht Breitschuh „Geschichten für Fußball-Romantiker“. Wenn es so aufregend, so spannend und so spektakulär weitergeht mit der Bundesliga wie an den ersten zehn Spieltagen, dann muss es bald eine erweiterte Auflage geben. Denn den Fußball-Romantikern geht das Herz auf in diesen Wochen.
Christoph Kramer grinste und zitierte den Spruch, der in den sozialen Netzwerken hoch und runter läuft: „Kinder, die nach dem 6. Oktober 2019 zur Welt gekommen sind, kennen in ihrem Leben keinen anderen Bundesliga-Spitzenreiter als Borussia Mönchengladbach“. Die Borussia ganz oben – der zweitliebste Club der meisten Fans nach dem eigenen erlebt eine Renaissance, an die viele nicht geglaubt haben.
Der Höhenflug ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer zähen, zielgerichteten Aufbauarbeit eines Clubs, der tief ins Mittelmaß gesunken war und 2011 um ein Haar abgestiegen wäre. Inzwischen hat sich die Borussia vorbeigekämpft an anderen Clubs, die mit mehr Finanzmitteln ausgestattet sind.
Es gibt noch ein paar Beispiele mehr dafür, dass man gegen die Geld-Tabelle anspielen kann. Eintracht Frankfurt hat sich aus dem Tabellenkeller nach oben gearbeitet, Stück für Stück. Mit einfallsreichen Transfers, lukrativen Spielerverkäufen und einer Begeisterungsfähigkeit, die über die Liga hinausreichte: In der Europa League strich die Eintracht Geld und Sympathien ein.
Das 5:1 gegen die Bayern war ein Meilenstein einer Entwicklung, die allen Mut macht, die nicht nach Investoren rufen resignierend sagen: „Geld-schießt-Tore“. Der SC Freiburg hat – wie der FSV Mainz 05 – seine besondere Nische gefunden. Mag sein, dass die Mannschaft von Christian Streich gerade über ihren Möglichkeiten spielt. Aber punktgleich mit den Bayern auf Platz fünf – ist das nicht herrlich und ein Plädoyer für die Bundesliga?
„Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“ – die alte Weisheit von Alt-Bundestrainer Sepp Herberger gilt unverändert und ist auch das Erfolgsgeheimnis der Bundesliga. Ein offenes Titelrennen, dass es seit sieben Jahren nicht mehr gegeben hat, wirkt wie ein Wundermittel gegen Langeweile. Auch, weil sich Borussia Dortmund zum Ziel Meisterschaft bekannt hat. Auch, weil in Leipzig – mit viel Geld – systematisch gearbeitet wird.
Neue Trainer mit neuen Methoden beleben die Liga. Marco Rose in Gladbach, Oliver Glasner in Wolfsburg, Adi Hütter in Frankfurt, David Wagner auf Schalke und Steffen Baumgart in Paderborn überzeugen mit klaren Ansätzen, modernen Methoden und vor allem einer Fokussierung auf das Wesentliche: Das Fußballspiel.
Ist es nicht herrlich, dass sich Vereine wie Union Berlin oder der SC Paderborn vorkämpfen in die Eliteklasse? Braucht man die ganz großen Weltstars, wenn es so viele – internationalen und nationale – Talente unbekümmert ihre Chance suchen? Ist die Bundesliga wirklich nur etwas wert, wenn ihre Topclubs finanziell mithalten können mit der Spitze in der Premier League oder der Primera Divsion? Ist die Bundesliga langweilig, wenn die deutschen Vereine mal ein paar Jahre lange keinen Europapokal holen?
Vielleicht ist die derzeitige Lage nur eine Momentaufnahme, aber es könnte auch ein Trend sein. Ein Weg zu einer Bundesliga, die sich selbst genug ist, die die kommerziellen Auswüchse bändigt und all ihren Fußball-Standorten Raum gibt. Die den Nachwuchs fördert, die Fans ernst nimmt und sich gesellschaftlich engagiert. Eine Bundesliga, die ihren eigenen Weg geht und nicht neidvoll und verkümmert die finanzielle Schieflage im Vergleich mit den Topligen Europas beklagt.