Werder-Versammlung: Applaus trotz 30-Millionen-Minus
Bremen (dpa) - Abstiegsplatz, Derby-Niederlage am Vortag und das dritte dicke Defizit in Folge - bei Werder Bremen ist das aber kein Grund für Protest.
Nur ein einziger Kritiker fand sich bei der Mitgliederversammlung in der Werder-Halle, die so heruntergewirtschaftet wirkt wie die Bilanz des abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten. Ansonsten herrschte trotz düsterer Aussichten eine Harmonie, die selbst den neuen Aufsichtsratschef Marco Bode verblüffte.
„Es darf bei uns ruhig ein bisschen emotionalere Kritik geben“, sagte der erstaunte Bode. Die Vereinsmitglieder spendeten sogar Applaus, nachdem Klaus Filbry als Vorsitzender der Geschäftsführung die Bilanz der GmbH & Co KGaA präsentiert und einen neuerlichen Verlust von rund 9,8 Millionen Euro erklärt hatte.
Mehr als 30 Millionen Euro hat der nicht nur sportlich angeschlagene Club in drei Jahren verloren. Das Eigenkapital-Polster aus den fetten Champions-League-Jahren wird beim Vorletzten der Tabelle am Ende der Saison wahrscheinlich komplett aufgebraucht sein. Klaus-Dieter Fischer, der am Montag ausgeschiedene Präsident, hatte das erneute Minus in der laufenden Saison bereits vor einigen Wochen angedeutet.
Bode, der die Geschäftsführung als Chef des Aufsichtsrates beaufsichtigen soll, wollte „zum laufenden Geschäftsjahr nichts sagen“. Filbry wies darauf hin, dass ja noch zusätzliche Einnahmen möglich seien, etwa im DFB-Pokal.
Es können aber auch noch zusätzliche Ausgaben auf den Club zukommen, vor allem bei den geplanten Spielerkäufen in der Winterpause. So groß ist die Not, dass Werder dafür sogar ein bisheriges Tabu brechen und Schulden machen würde. „Wir werden das eine oder andere Risiko eingehen“, kündigte Filbry an.
Mit einem Seitenhieb auf den Hamburger SV sagte Filbry, „dass wir nicht 30 Millionen in die Hand nehmen, die wir gar nicht haben“. Der Werder-Geschäftsführer betonte seine Sicht der Dinge: „Wir sind immer noch ein gesunder Verein. Das zeichnet uns im Gegensatz zu vielen anderen Bundesligisten aus.“ Diese Sätze animierten die meisten Mitglieder zum Klatschen.
„Ich werfe Ihnen und dem Präsidium und dem Aufsichtsrat vor, dass sie viel zu spät versucht haben gegenzusteuern.“ Das war die einsame Kritik eines aus Frankfurt angereisten Werder-Mitglieds. Sie war an Fischer gerichtet, der nach 45 Jahren in der Club-Führung aufhört.
Das einzige, was nicht zum Bild der netten Werder-Familie passte, war eine offenbar gescheiterte Intrige gegen das Aufsichtsratsmitglied Willi Lemke. Fischer berichtete, dass jungen Mitgliedern Geld dafür geboten worden sei, „wenn sie gegen Willi Lemke protestierten“. Nach Angaben des langjährigen Werder-Funktionärs habe es auch „Aufforderungen gegeben, Transparente zu zeigen“.
„Nicht hintenrum, das macht ein Werderaner nicht“, sagte Fischer, ohne weitere Details der Kampagne gegen den umstrittenen und als Chef des Aufsichtsrates zurückgetretenen Lemke zu erläutern. In seiner Abschiedsrede als Präsident sagte Fischer stattdessen: „So zu tun, dass alles, was schief gelaufen ist, an Willi Lemke hängt, das ist gelinde gesagt eine Schweinerei. Wir haben alle Fehler gemacht.“
Lemke sagte zu der angeblichen Verschwörung: „Wer dahinter steckt, weiß ich nicht. Ich kann mir aber denken, woher es kommt.“ Es blieb bis zum Ende der dreieinhalb Stunden ruhig. Stillen Protest gab es nur vor der Halle von Tierschützern gegen Werders Trikot-Sponsor, den Geflügelproduzenten Wiesenhof.