Wie Tuchel den BVB mobilisiert
Der neue Trainer startet am Montag mit seiner Mannschaft ins Training. Schon zuvor hat er offenbar viel bewirkt.
Dortmund. Es ist erst einige Tage her, da hat Borussia Dortmund über die sozialen Kanäle im Internet Fotos verbreitet. Thomas Tuchel bei den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle, Handschlag hier, Gespräch dort. Der neue Dortmunder Trainer — so kommentierte der Club — lasse es sich nicht nehmen, alle Mitarbeiter des Vereins persönlich zu begrüßen. Ein Teufelskerl, denkt man, und liest dann die Kommentare der Anhänger. Geschriebener Jubel tritt da zutage. Auch, weil man im Lager der Schwarzgelben mit dem „Nerd aus Mainz“, wie die „FAZ“ Tuchel unlängst nannte, ja nach Jahren der fußballerischen und emotionalen „Kloppschen Vollgasveranstaltungen“ erst einmal warm werden muss. Es drohte immerhin die emotionale Verarmung. Nein, so die Botschaft nun, so unnahbar ist der Tuchel gar nicht.
Tuchel hat Hummels und wohl auch Gündogan überzeugt
Jetzt darf der Tuchel an dieser Interpretation seiner selbst kräftig arbeiten: Borussia Dortmund startet heute mit dem ersten Training nach sieben Jahren Klopp die neue Zeitrechnung, die eine Ära Tuchel werden soll. Selten ist ein Trainerwechsel hierzulande mit größerem Interesse verfolgt worden. Weil sich Tuchel in seiner einjährigen beruflichen Abwesenheit weg vom Status des vielversprechenden Trainers aus Mainz hin zum alleinigen Allheilmittel gegen Fußball-Tristesse entwickelt hatte. Wie eine Aktie, die allein gespeist aus Zukunftshoffnung immer mehr an Wert gewinnt. Dass der Schwabe aus Krumbach mit dieser Anschauung ganz gut leben und einen guten Vertrag abschließen konnte, verwundert nicht. Offenbar aber hat es der 41-Jährige aber auch ziemlich schnell geschafft, durch Hintergrundarbeit große Baustellen im BVB-Kader noch vor dem heutigen Start zu schließen: Nationalspieler Mats Hummels verdrängte frühzeitig alle Abwanderungsgedanken gen Premier League, weil er von „Tuchel überzeugt“ war und wurde. Jetzt soll sogar Nationalspieler Ilkay Gündogan bleiben und seinen bis 2016 laufenden Vertrag noch verlängern. „Wir haben eine gute Basis“, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Wichtiger Grund für Gündogans Entscheidung sei — Sie ahnen es — die Spielphilosophie des neuen Trainers Tuchel. Zudem erhoffe sich der Mittelfeldspieler mit Blick auf die EM 2016 viel Einsatzzeit in Dortmund. Daher habe er sich auch gegen ein Angebot des französischen Meisters Paris Saint-Germain entschieden. Es läuft ganz gut. Für Tuchel, der mit dem Fortgang Mitch Langeraks gen Stuttgart auch die sensible Personalie Roman Weidenfeller entschärft hat. Und auch für den Club. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Kommunikationsabteilung an der Strobelallee derzeit allerhand Kraft aufwendet. Tenor: Tuchel hat alles im Griff. Wer war Klopp?
Schon am 30. Juli beginnt die Europa League-Qualifikation
Dabei ist der Weg bis zum Saisonstart Mitte August gegen Borussia Mönchengladbach noch weit. Und zäh. Eine kräftezehrende einwöchige Asienreise mit Testspielen in Japan und Malaysia vom 5. bis 11. Juli und der frühe Einstieg in die Qualifikation zur Europa League am 30. Juli beeinträchtigen die Vorbereitung, in der Tuchel als Detailarbeiter viel Zeit benötigt. Aber er meckert nicht. Er sagt: „Wir werden Lösungen finden, damit umzugehen.“ Natürlich. Aus dem profanen Laktattest ist eine in ein Institut außerhalb Dortmunds verlegte Leistungsdiagnostik geworden, laut „Sportbild“ ändern sich künftig Ernährungsgewohnheiten und Taktik der Dortmunder. Und vielleicht auch der Anspruch an die Spieler. Er stehe, hat Tuchel kürzlich gesagt, „etwas auf brave Spieler, die neugierig sind und bedingungslos trainieren“. Solche Spieler, sagte Tuchel, „bekommen meine gesamte Zuneigung“.