Boateng tut Draxler gut - „Julian stand sehr im Fokus“
Gelsenkirchen (dpa) - Niemand zweifelt an der fußballerischen Klasse und Qualität von Julian Draxler. Doch in den ersten Spielen der Saison merkte man dem 19 Jahre alten Nationalspieler des FC Schalke 04 den enormen Druck an, dem er ausgesetzt war.
Die „10“ auf seinem Trikot schien teilweise wie Blei auf seinen Schulter zu lasten, auch wenn er es selbst war, der mehr Verantwortung in der ihm zugedachten Rolle des zentralen Spielmachers tragen wollte. Mit der Verpflichtung von Kevin-Prince Boateng wendete sich das Blatt. Draxler blühte auf, die Leichtigkeit kam zurück. Er war sichtlich froh, „im Schatten“ des neuen Superstars wirken und reifen zu können. „Im Sommer ist sehr viel auf Julian eingeprasselt, er stand extrem im fokus“, räumte Trainer Jens Keller ein.
Julian habe die Verpflichtung von Boateng positiv aufgenommen und keinerlei Probleme damit gehabt, dass der international erfahrene Mittelfeldspieler die zentrale Rolle in der offensiven Dreierreihe der Königsblauen übernahm. „Julian war sofort bereit, auf die linke Seite auszuweichen. Aber Kevin und er wechseln im Spiel oft die Positionen“, betonte Keller. Und: „Ich denke, Julian tut es im Moment ganz gut, dort zu spielen. Auch in der Nationalmannschaft spielt er links und weiß zu gefallen. In der DFB-Elf sind seine Chancen dort vielleicht noch größer.“
Auch Horst Heldt, der den 12-Millionen-Deal mit Boateng einfädelte, ist glücklich über dieser Entwicklung. „Julian kann in der Offensive jede Position spielen. Aber der große Wirbel im Sommer hat ihn sicherlich auch etwas belastet“, meinte der Schalker Manager über den Jungstar, der an diesem Freitag, einen Tag vor dem Bundesliga-Hit gegen Bayern München, seinen 20. Geburtstag feiert.
Unglaublich, was Draxler in seinem jungen Fußballleben schon erlebt und erreicht hat. 2011 vom DFB als bester Spieler seines Jahrgangs mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet, hat der 1,85 Meter große Gladbecker schon 78 Bundesligaspiele (13 Tore) bestritten. Neben neun Partien im DFB-Pokal (5), den er 2011 mit Schalke gewann, hat Draxler bis zum Champions-League-Spiel gegen Bukarest schon 27 Europapokalpartien (4) absolviert. Als der Youngster zum Rückrundenstart 2010/2011 vom damaligen Trainer Felix Magath gegen den HSV eingewechselt wurde, war er 17 Jahre und 117 Tage alt. Damit unterbot das Eigengewächs die alte Bestmarke von Rüdiger Abramczik als jüngster Schalker Bundesligaprofi aus der Saison 1973/1974 um 57 Tage.
Kein Wunder, dass Europas Topvereine längst die Fühler nach dem Riesentalent ausgestreckt haben. Viele Experten trauen ihm eine Weltkarriere zu. Auch deshalb verlängerte die Clubführung den Kontrakt mit Draxler bis 2018, ließ große LKW mit dem Konterfei des Publikumsliebling durch das Ruhrgebiet fahren und legte angeblich eine Ablösesumme von rund 45 Millionen Euro fest. Doch nicht einmal das schien die finanzkräftige Konkurrenz abzuschrecken. Noch kurz vor Transferschluss machten Gerüchte die Runde, es gebe Vereine, die für einen Blitztransfer die Riesensumme auf den Tisch blättern würden. Heldt dementierte das vor ein paar Wochen zwar, sagte aber auch: „Ich kann nicht sagen, was passiert, wenn uns jemand 70 Millionen Euro bietet.“
Schnee von gestern: Draxler, der als sehr bodenständig gilt und 2012 sein Fachabitur baute, wirbelt (zunächst) weiter auf Schalke und könnte in dieser Saison neben Boateng ähnlich aufblühen wie seinerzeit mit Weltstar Raul an seiner Seite. Boateng jedenfalls adelte seinen Mitspieler unlängst: „Er ist der beste Spieler der Welt in seinem Alter.“