Bulgarische Wahlen nur Nebensache: Real kommt
Sofia (dpa) - Kommt Real Madrid, ist die Parlamentswahl in Bulgarien erst einmal Nebensache. Vor dem Duell David gegen Goliath in der Champions League mit dem bulgarischen Double-Gewinner Ludogorets Razgrad wurde Real in manchen Medien größer vorgestellt als die Parteien.
Und auch die politische Prominenz lässt die Arbeit vier Tage vor dem Wahltermin zumindest für 90 Minuten ruhen: Für die erste Heimpartie der Vereinsgeschichte in der Königsklasse haben sich Bulgariens Staatspräsident Rossen Plewneliew, Regierungschef Georgi Blisnaschki und Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow angekündigt.
Der leidenschaftliche Fußballspieler Borissow galt schon immer als Fan von Real Madrid, er hofft am Mittwochabend aber auf einen Sieg von Ludogorets. Dass er für das Gastspiel von Cristiano Ronaldo, Gareth Bale, Toni Kroos und Co. nicht ins knapp fünf Autostunden entfernte Razgrad reisen muss, sondern es sich in einer Loge des Nationalstadions in Sofia gemütlich machen kann, hat einen einfachen Grund: In dem 40 000-Einwohner-Städtchen gibt es drei Jahre nach dem Aufstieg in die erste Liga noch kein Stadion auf Champions-League-Niveau. Die eigene Arena bietet nur 6000 Fans Platz und erfüllt damit nicht die Anforderungen der UEFA.
In Sofia werden dagegen knapp 44 000 Zuschauer den Titelverteidiger sehen - und damit nur knapp mehr als halb so viele, wie die Real-Stars es aus dem heimischen Estadio Santiago Bernabéu gewohnt sind. Auch sonst hält die Multi-Kulti-Truppe aus dem ärmsten EU-Land einem Vergleich mit der Weltauswahl aus Madrid nur in einem Punkt stand: Beide haben Spieler aus zwölf Nationen im Kader. Aber allein für den Marktwert von Weltfußballer Ronaldo könnte man sich laut transfermarkt.de 2,4 Mal das gesamte (!) Team aus Razgrad kaufen.
Waren vor der Champions-League-Premiere gegen Liverpool vor zwei Wochen (1:2) noch forsche Töne zu hören, gibt sich Gastgeber Ludogorets (frei übersetzt: Wildwälder) nun realistischer: „Wir dürfen uns nichts vormachen - das ist das beste Team“, sagte Kapitän Swetloslaw Djakow. „Wir müssen einfach gelassen auftreten und unser Spiel machen.“ Spaß soll die zweite Partie in Gruppe B trotzdem machen. „Das wird das schönste Match meiner Karriere sein - sogar meines Lebens“, sagte der gegen die Engländer noch gesperrte Torwart Wladislaw Stojanow der Zeitung „Standart“ (Sofia). „Gegen Real spielt man nicht jeden Tag.“
Routine im Umgang mit Vereinen dieser Größenordnung haben die Funktionäre von Ludogorets daher nicht - und waren erst einmal überrascht von der Bescheidenheit Reals. Lediglich Früchte und Mineralwasser seien bestellt worden, verriet Exekutivdirektor Angel Petritschew.
Der Ausnahmezustand - schon Stunden vor der erwarteten Ankunft am Dienstagnachmittag bezogen Fernsehreporter Stellung am internationalen Flughafen der Balkan-Metropole - dauert noch mindestens bis zum Abpfiff Mittwochnacht. Bis zu den Wahlen sind es dann noch etwa 80 Stunden. Aber die sind für viele in Bulgarien nicht halb so spannend wie Real Madrid.