Coach Villas-Boas bei Chelsea angezählt

London (dpa) - Der junge Trainer André Villas-Boas hat es beim FC Chelsea mit einem übermächtigen Geist zu tun. Mit dem von „The Special One“. Nach der jüngsten FA-Cup-Enttäuschung verhöhnten ihn die eigenen Fans mit Mourinho-Sprechchören.

Und ausgerechnet vom früheren Chelsea-Übertrainer José Mourinho selbst musste sich Villas-Boas anschließend aufmunternde Worte anhören. „Ich bin Vergangenheit, sehr gute Vergangenheit, aber ich bin nicht mehr da und sie sollten alle zusammenhalten“, entsandte der Portugiese als Botschaft aus Madrid. Die Geduld scheint aufgebraucht mit dem Wunsch-Trainer von Club-Besitzer Roman Abramowitsch. Gekostet hatte er im Sommer 15 Millionen Euro Ablöse vom FC Porto. Im Champions-League-Achtelfinale beim SSC Neapel am Dienstag dürfte nun sein Job auf dem Spiel stehen.

„Die Champions League ist ein Wettbewerb, den jeder gewinnen will. Die Spieler werden viel mehr Spannung spüren“, sagt der Portugiese und baut auf eine verbesserte Einstellung seiner Profis im Hexenkessel von San Paolo. Beim 1:1 im FA-Cup-Achtelfinale gegen den Zweitligisten Birmingham City wirkten sie zuletzt blutleer.

In den vergangenen zehn Premier-League-Spielen gab es nur zwei Siege. Die Quittung: Platz fünf und Bangen um die Champions-League-Qualifikation. Dennoch zeigt sich der Gegner respektvoll. „Ich glaube überhaupt nicht, dass Chelsea in der Krise steckt. Sie sind ein Top-Team mit vielen Stars, das an solche Cup-Spiele gewöhnt ist“, sagte Neapel-Trainer Walter Mazzarri.

Doch Villas-Boas ist angezählt. Mehrere Boulevardblätter nennen ihn makaber „Dead Man Walking“. Der „Guardian“ schreibt, dass „AVB“ im Falle einer klaren Niederlage in Neapel sicher im Rückspiel nicht mehr dabei ist. Dabei hatte der 34-Jährige vergangene Woche noch betont, er genieße das „volle Vertrauen“ des Clubbesitzers. Man wolle das „Drei-Jahres-Projekt“, den verjüngenden Umbruch, gemeinsam durchziehen.

In Neapel herrscht wegen der Champions-League-Erfolge fast so eine Euphorie wie zu Diego-Maradona-Zeiten. Die Generalprobe in der Liga beim AC Florenz wurde 3:0 gewonnen. Villas-Boas ist vor allem gewarnt vor dem uruguayischen Stürmer Edinson Cavani, Top-Torjäger der Serie A mit 15 Toren. Er selbst plagt sich mit 58-Millionen-Euro-Sorgenkind Fernando Torres herum. Es gilt als wahrscheinlich, dass er den seit 1292 Minuten für Chelsea torlosen Welt- und Europameister in Neapel durch Sturm-Routinier Didier Drogba ersetzt. Drogba ist zurück vom Afrika-Cup. Auf 50-50 taxierte Villas-Boas die Chancen, dass Kapitän John Terry nach seiner Knieverletzung noch rechtzeitig fit wird.

Allerdings sind es just diese Chelsea-Recken - darunter auch der zeitweise ausgebootete Frank Lampard - die den Trainer-Jungspund dem Vernehmen nach hängen lassen. Und es ist bekannt, dass Abramowitsch, der in acht Jahren sechs Trainer zerschlissen hat, für die „mächtigste Spielerkabine der Welt“ ein sensibles Gehör hat.

Zuletzt kreuzte der russische Oligarch mehrfach mit Freunden auf dem Trainingsplatz auf und inspizierte Villas-Boas' Arbeit. Das gilt als Warnsignal. Der Milliardär pflegt zudem wieder einen regen Austausch mit Mourinho. Und FC-Porto-Präsident Pinto da Costa berichtete kürzlich in einem Interview, Mourinho verschicke immer noch SMS an Chelsea-Spieler.