Guardiolas „Hölle dahoam“
Beim FC Bayern steht nach dem Halbfinal-Aus gegen Real viel in Frage.
München. Adiós historische Titelverteidigung, adiós erneutes Triple: Die Träume von einer weiteren Saison der Superlative verglühten in der „Hölle dahoam“. Mit der Höllennacht, die sie eigentlich Real Madrid bereiten wollten, mussten die entthronten Münchner Champions erst mal jeder für sich fertig werden.
Kein Training, keine Krisensitzung, kein Aktionismus — ohne spontane Aufarbeitung ließ Trainer Pep Guardiola seine gedemütigten Stars gestern die schmerzenden Wunden nach dem 0:4-Debakel im Champions-League-Halbfinale pflegen.
Schock und Frust saßen und sitzen beim FC Bayern tief. Entsprechend drastische Töne waren nach der höchsten Heimniederlage in der Europapokal-Historie des Club-Weltmeisters zu vernehmen. Man habe „auf die Fresse bekommen“, stöhnte Arjen Robben. Und Thomas Müller machte für die Zeit nach dem Trauern eine deutliche Ansage: „Wir müssen schauen, dass wir den Arsch wieder hochkriegen!“
Bis zur Turbo-Meisterschaft im März wirkten die Bayern in dieser Saison unbezwingbar. Der Stecker, der auch von Trainer Pep Guardiola gezogen worden war, muss ganz schnell wieder rein. „Nach Hause gehen, akzeptieren, weinen, und dann geht das Leben weiter. Wir müssen den Kopf hochnehmen, wir haben noch ein Pokalfinale“, sagte Robben. Der niederländische Stürmer warnte vor internen Zerreißproben: „Wir müssen jetzt zueinanderstehen.“
Das nationale Titelduell gegen Borussia Dortmund am 17. Mai in Berlin muss nun darüber befinden, wie gut das erste Jahr unter Trainer Pep Guardiola ausfällt. Reicht es noch zum ehrenwerten Double? „Auf dem Pokalfinale liegt jetzt der Fokus“, kündigte Guardiola an, der die Schuld für den Untergang des gescheiterten Titelverteidigers auf seine Schultern lud. „Es war ein Riesenfehler des Trainers“, sagte der Spanier nach seiner höchsten Niederlage als Coach.
Guardiola philosophierte über Ballbesitz und Personal, er habe sich „bei der Taktik vertan“. Dabei waren es zwei Standards — eine Ecke und ein Freistoß — und weniger die richtige Spielphilosophie, die früh im Spiel das Halbfinal-Aus besiegelt hatte. „Da steht es 0:2 — und du weißt, dass es vorbei ist“, sagte nicht nur Robben.
Die Niederlage wirft jedoch auch die Frage nach Guardiolas Spielsystem auf. Die Debatte führte der 43 Jahre alte Katalane selbst. „Der Grund, warum wir verloren haben, ist: Wir hatten keinen Ballbesitz“, klagte Guardiola. Die Dominanz im Mittelfeld fehlte ihm. „Wenn du gegen diese tollen Spieler von Real keine Spielkontrolle hast, hast du keine Chance“, hieß sein Urteil.
Guardiola deutete an, dass „die heftige Nacht“ die Kaderplanung beeinflussen könnte. „Wir müssen uns Gedanken machen, ob das mit diesen Spielern das beste Rezept ist“, sagte er in Bezug auf seine Fußball-Philosophie. Das Triple, das sein Vorgänger Jupp Heynckes holte, hätte er „im Idealfall nur ausgleichen“ können.
Dieser Druck ist nun raus, für Guardiola beginnt jetzt erst die Arbeit, ein echtes Pep-Team zu formen. „Wir werden die richtigen Antworten finden, um aus einer guten Saison mit dem Pokalsieg eine sehr gute zu machen. Das muss unser Ziel sein“, meinte Sportdirektor Matthias Sammer.
Vor einem Jahr beendete ein noch auf Wucht aufgebautes Bayern-Team mit einem 7:0 im Gesamtergebnis die Regentschaft des FC Barcelona in Europa. Jetzt wurde der Champion von 2013 von einem von Trainer Carlo Ancelotti zweimal glänzend eingestellten Real-Team entzaubert — mit 0:5 in der Addition. Philipp Lahm warnte dennoch davor, als Reaktion alles infrage zu stellen: „Jetzt wieder alles schlecht zu reden — da mache ich nicht mit“, sagte der Kapitän.