Milan machts's vor: Barcelona ist doch verwundbar

Stuttgart (dpa) - Man stelle ein paar Veteranen nach hinten, den Freund der Präsidenten-Tochter nach vorn und schieße dann noch ein Glückstor: Mit diesem unkonventionellen Rezept hat der als „Rentner-Band“ verhöhnte AC Mailand dem FC Barcelona zum Auftakt der Champions League ein Bein gestellt.

„Milan alla grande“ („Milan großartig“), titelte der „Corriere dello Sport“, nachdem der italienische Meister dem europäischen Fußball wieder etwas Hoffnung gemacht hat. Das scheinbar unbezwingbare „Barca“ ist doch verwundbar - wenn auch nur mit viel Glück.

In der zweiten Minute der Nachspielzeit köpfte Thiago Silva nach einem Eckball das 2:2 für die Gäste. „Im Fußball ist alles möglich. Wir können auch das Finale erreichen“, sagte ihr Mittelfeldspieler Urby Emanuelson. Bis zu diesem denkwürdigen Dienstagabend hätte ihm das nur kaum jemand geglaubt. Denn warum sollte ausgerechnet Milan die beste Mannschaft der Welt stoppen, wenn zuletzt selbst Manchester United oder Real Madrid von ihr überrollt wurden?

Der siebenfache Titelträger war bei seinen drei vorangegangenen Champions-League-Teilnahmen jeweils schon im Achtelfinale ausgeschieden. Dazu schien es eine ziemlich gewagte Strategie zu sein, dem schwindelerregenden Kombinationsfußball des FC Barcelona den 35 Jahre alten Clarence Seedorf, den 35 Jahre alten Allesandro Nesta oder den 34-jährigen Gianluca Zambrotta in den Weg zu stellen.

Aber Milans Routine erwies sich vor 90 000 Zuschauern im „Camp Nou“ als Vorteil. „Wir sind eben nicht auseinandergefallen, wie es vielen Teams hier geht“, sagte Trainer Massimiliano Allegri. Und Zambrotta ergänzte: „Wir hatten keine Angst.“ Die aktuelle Saison bietet Veteranen wie ihm die letzte Chance, die „Königsklasse“ noch einmal zu gewinnen. Und das spornt an, wie auch Seedorf bestätigte. Das Gerede über Barcelona könne einem „Sand in die Augen streuen“, sagte der Niederländer. „Es gibt keine unbesiegbaren Teams“.

Die Katalanen klangen nach diesem schmerzhaften Punktverlust teils trotzig, teils beleidigt. „Mailand hatte zweieinhalb Chancen und war im Mittelfeld praktisch nicht vorhanden“, meinte Trainer Pep Guardiola. „Wir haben es gemacht wie immer: Wir haben versucht zu spielen und haben alles getan, was man tun muss, um zu gewinnen.“

Tatsächlich traf Milan nur in der ersten und in der letzten Minute. Dazwischen dominierte „Barca“ und hätte die Partie durch Tore von Pedro (36.) und David Villa (50.) auch beinahe gedreht.

Trotzdem war es nicht bloß Zufall, dass der Titelverteidiger einen „brutalen Start“ (Club-Homepage) in die Champions League erlebte. Schon beim Ligaspiel in San Sebastian verspielte Barcelona eine 2:0-Führung. Außerdem muss sich Guardiola die Frage gefallen lassen, ob er einen Teil der 60 Millionen Euro für die Neuzugänge Cesc Fabregas und Alexis Sanchez nicht lieber in einen Abwehrspieler investiert hätte. Beim 0:1 sahen die Aushilfsverteidiger Sergio Busquets und Javier Mascherano jedenfalls ziemlich tollpatschig aus gegen Pato. Dem Stürmer gehören sonst eher deshalb die Schlagzeilen, weil er mit der Tochter von Milan-Boss Silvio Berlusconi liiert ist.

Teuer bezahlt haben dieses Spiel allerdings beide Vereine. Barcelona muss rund vier Wochen auf Andres Iniesta verzichten, weil sich der Weltmeister kurz vor der Pause einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zuzog. Milan bangt derweil um seinen Antreiber Kevin Prince Boateng. Der Nationalspieler Ghanas musste ebenfalls noch in der ersten Halbzeit mit muskulären Problemen vom Platz.