Abseits der Fifa Conifa - Das steckt hinter der alternativen Fußball-WM
Diese Woche startet die etwas andere Fußball-WM. Eine Veranstaltung, die der Fifa ein kleiner Dorn im Auge sein dürfte.
Wuppertal. In diesem Jahr ist Fußball-WM. Aber nicht nur in Russland, sondern auch in London. Und statt Deutschland, Brasilien oder Frankreich messen dort ab dieser Woche Abchasien, Tuvalu und Matabeleland ihre sportlichen Kräfte. Eine Veranstaltung, die der Fifa ein kleiner Dorn im Auge sein dürfte — und deshalb offiziell auch Weltfußballmeisterschaft heißt.
Spielen dort doch Teams der Verbände, die es aus verschiedensten Gründen nicht in den allmächtigen Fußball-Weltverband geschafft haben. Böse Zungen sagen auch: die die Fifa nicht dabei haben will. Dahinter steckt die Conifa, die „Confederation of Independent Football Associations“ — mit einem Deutschen im Führungsgremium. Sascha Düerkop, 31 Jahre alt, studierter Mathematiker und Fußball-Fan, der eigentlich nur Trikots sammeln wollte — und jetzt Generalsekretär eines Weltverbandes ist.
Eine Aufgabe, zu der der Kerpener wie die Jungfrau zum Kinde kam. Seinem Ziel, Trikots aller Fifa-Mitglieder habhaft zu werden, war er vor ein paar Jahren schon ganz nah. Nordkorea, Dschibuti und Liberia fehlten noch. Doch daran biss er sich die Zähne aus. „Es ging nicht mehr weiter.“ Alternativen mussten her, und die boten die Nationalmannschaften außerhalb der Fifa. Düerkop fing wieder an zu sammeln und kam in Kontakt mit Per Anders Blind, Vertreter der Samen in Nordschweden. Auch die kicken gerne. „Und ich wollte ein Trikot von denen.“ Blind war aber auch Mitglied des Conifa-Vorgängers — der damals praktisch am Boden lag. Der schwedische Start-up-Berater wollte den Neustart forcieren und holte sich 2013 den Deutschen ins Boot. „Willst du mir helfen, eine Verfassung für den Verband zu schreiben?“ Düerkop erinnert sich noch gut an die Frage.
Beim Gründungs-Meeting auf der Isle of Man wurde er gleich zum Generalsekretär gewählt. Ein Ehrenamt, das mittlerweile einem Fulltime-Job gleichkommt. Spiele organisieren, Kontakte zu aktuellen und potenziellen Mitgliedern knüpfen, gerne auch vor Ort, und natürlich die Vorbereitung der WM. „Gerade ist es besonders stressig.“ Zuletzt war er in Südossetien. Eine international nicht anerkannte Republik, die offiziell Teil von Georgien ist.
47 Verbände sind aktuell bei der Conifa dabei. Teams staatenloser Völker, aus historischen Regionen, Minderheiten und nicht-anerkannten Gebieten finden dort ihren Platz. Es gebe verschiedene Kriterien für die Aufnahme. „Grundsätzlich“, so Düerkop, „sollen alle die Möglichkeit haben“.
In London spielen vom 31. Mai bis 9. Juni 16 Mannschaften um den Titel. Es gab eine richtige Qualifikation, wie beim großen Verband. Gastgeber ist, auch wenn auf Amateur-Plätzen in der britischen Hauptstadt gespielt wird, nicht der britische Fußballverband, sondern Baraawe, die Heimat einer Minderheit in Somalia, von der eben viele in London leben. Finanziert wird alles über Sponsoren.
Die Fifa hinterlasse noch weiße Flecken auf der Weltkarte. „Und wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung.“ Etwas in dieser Richtung sagt Düerkop öfter, wenn er auf das Verhältnis zur Fifa angesprochen wird. Das sei schon mal deutlich besser gewesen. Unter Sepp Blatter. Ausgerechnet. „Abgekühlt“ nennt Düerkop es unter dessen Nachfolger Gianni Infantino. Der Weltverband, sagt der Kerpener, würde gegenüber der Conifa mittlerweile ziemlich deutlich machen: „Alles, was ihr macht, ist eigentlich illegal.“
Das war mal anders. Etwa, als Bergkarabach 2014 an der ersten Weltfußballmeisterschaft der Conifa teilnahm — was Fifa-Mitglied Aserbaidschan, das die Region weiterhin als eigenen Landesteil betrachtet, gar nicht gerne sah. „Die haben sich überall beschwert“, erinnert sich Düerkop und lächelt. „Und wir haben es zur Kenntnis genommen.“ Die Fifa, unter Blatter, habe damals gar nicht auf die Kritik Aserbaidschans reagiert — und indirekt damit die Conifa gestärkt.
Man könnte meinen, die Conifa suche auch ein bisschen den Zwist mit dem großen Weltverband. Aktuell etwa unterstützen Düerkop & Co. die Verbände von Tuvalu und Kiribati. Die sind Mitglied in der Conifa, möchten aber gerne in die Fifa. „Und dagegen spricht auch nichts“, sagt der 31-Jährige, denn beide seien souveräne Staaten und Mitglied der Uno. Anders etwa als Hong Kong oder die Cayman Islands — die trotzdem bei der Fifa mitkicken dürfen. Tuvalu und Kiribati vertröste der Weltverband aber seit Jahren, ohne wirklich Gründe zu nennen. Deshalb habe man den beiden Pazifikstaaten jetzt Anwälte besorgt, die „pro bono“ arbeiten und notfalls vor dem Sportgerichtshof auf dem Klageweg die Mitgliedschaft erreichen sollen.
„Stress“, wie es Düerkop nennt, gab es in der Vergangenheit mit der Fifa schon ein paar Mal. Schlagzeilen machte zuletzt ein geplantes Tibet-Gastspiel in Deutschland. Die Exil-Truppe — Düerkop: „Alle leben in Indien“ — aus der von China beanspruchten Region weilt in Vorbereitung auf die WM in Europa. Sechstligist FV Lörrach dachte sich: „Ein toller Gegner für ein Freundschaftsspiel.“ Der Südbadische Fußballverband hatte zunächst auch die Genehmigung erteilt, zog sie dann aber zurück. Wohl auf Betreiben des DFB und der Fifa, die das große China nicht verärgern wollten, kritisiert die Conifa. Nicht noch mal, schließlich war China schon nach dem missglückten Experiment, die U 20 aus Fernost in der deutschen Regionalliga unterzubringen, nicht gut auf den DFB zu sprechen. Ende 2017 hatten Aktivisten bei einem Regionalliga-Spiel gegen die Tibet-Politik Chinas protestiert. Daraufhin war die U 20 zurückgezogen worden.
Dabei, betont Düerkop, spiele Politik in seinem Verband gar keine Rolle. Man achte schon sehr genau drauf, dass der Fußball nicht missbraucht werde. Politische Stellungnahmen vor oder während der Spiele seien verboten. Und neben dem Platz? Stolz verweist er darauf, dass bei der letzten WM Teams aus Kurdistan, West-Armenien und Nord-Zypern in einem Hotel untergebracht waren. Im wahren Leben sicher eine Kombination, die Zündstoff birgt, damals aber keinerlei Probleme machte.
Was das sportliche Niveau angeht, rangiere dies bei der Conifa zwischen „Kreisliga und Europa League“. Abchasiens Ex-Kapitän Ruslan Ajinjal etwa kickte für den FC Krasnodar schon europaweit, bei den Samen lief ein ehemaliger norwegischer Nationalspieler auf, An Young-Hak von den „United Koreans of Japan“ stand für Nordkorea sogar bei der WM 2010 in Südafrika auf dem Platz — und die Spieler aus der Krisenregion Darfur hatten bei ihrer ersten, von der Conifa organisierten Partie nicht einmal Schuhe, kannten keinen Rasen. „Sie lebten praktisch ihr ganzes Leben in einem Flüchtlingslager, für sie war das alles neu“, erzählt Düerkop.
Er selbst habe seine Fußball-Karriere „erfolglos in der D-Jugend beendet“, wie er lachend erzählt. Trotzdem durfte er beim jüngsten Besuch dort als Gastspieler für die Nationalmannschaft von Südossetien gegen den Ball treten: Spontan hatte sich ein Match gegen Katalonien ergeben — sechs spanische Touristen, die im selben Hotel wie der Deutsche nächtigten. „Es hatte schon was von Länderspiel.“
Seine frischangetraute Frau Sabrina unterstütze sein Hobby übrigens und begleite ihn manchmal auf den Reisen. „Sie war es auch, die mich bestärkt hat, meine Promotion abzubrechen“, sagt der Kerpener, der zuletzt für seine Doktorarbeit an der Uni Wuppertal arbeitete. Immerhin: Für die WM-Zeit und die erste Zeit danach zahle ihm jetzt der Verband ein Gehalt. „Danach muss ich schauen.“
Ein Leben für die Conifa? So sieht es derzeit aus, denn Arbeit bleibt genug. Allein an anerkannten Minderheiten gebe es rund 5000, die Mitglied werden könnten. In Deutschland allerdings nur zwei: die Friesen und Sorben. Die haben aber kein eigenes Team, sagt Düerkop. Noch nicht.