Der ewige Totti verzaubert Rom
Er ist Kapitän, 37 Jahre alt und führt den AS Rom zu neuer Blüte und einem Startrekord.
Düsseldorf. Es musste ja so kommen. Dass der AS Rom seine ersten Punkte in dieser Saison abgibt, wenn der große Anführer fehlt, war irgendwie klar. Zehn Mal hat die Roma in Italiens höchster Fußballliga gespielt, zehn Mal hat sie gewonnen.
Das hat noch nicht einmal einer der großen Mailänder Clubs geschafft, auch nicht Juventus Turin, das den bisherigen Rekord mit neun Startsiegen (2005/2006) hielt. Doch jetzt kassierten die Gelb-Roten gegen den FC Turin das zweite Gegentor der Saison, und gaben mit dem 1:1 die ersten Punkte ab. Francesco Totti konnte es nicht verhindern. Er fehlte verletzt.
Dennoch ist der Höhenflug der Römer untrennbar mit Totti verbunden. Der 37-Jährige wurde nach dem verlorenen Pokalfinale im Mai — ausgerechnet gegen den Lokalrivalen Lazio Rom — schon als Anführer einer ausgelaugten Rentnertruppe verspottet. Jetzt schreiben die Gazetten von „Hexerei“ von der „Magie“ dieser Mannschaft rund um ihr lebendes Denkmal — ihren „Capitano“.
Der gebürtige Römer genießt seinen zweiten Frühling dankbar und dribbelt fröhlich auf die 40 zu — auch wenn der Oberschenkel jetzt öfter mal zwickt. Gerade hat Totti mit den US-amerikanischen Besitzern des Vereins einen neuen Zweijahresvertrag ausgehandelt. Der gebürtige Römer Totti, selbst Anteilseigner seines Clubs, sagte dazu: „Danke, dass ich weiter das einzige Trikot tragen darf, das ich liebe.“
Ihm glaubt man diesen Satz. 1993 gab er als 16-Jähriger sein Debüt für die Roma. Er hat nie für einen anderen Verein spielen wollen. Er ist so römisch wie das Collosseum. Ein Fußball-Monument unter hunderten trikotküssenden Söldnern. Und die Roma liebt zurück. Für die Fans ist ihr Verein ohne den Kultkicker nicht mehr denkbar.
Wer diese Mannschaft trainieren will, muss wissen und akzeptieren, dass Totti der Chef ist. Seit 1997 ist der Römer Kapitän. Trainer kamen und gingen. Totti blieb.
Der Franzose Rudi Garcia weiß mit dem Volkshelden umzugehen. Totti führt, assistiert von den ebenfalls „echten“ Römern Daniele de Rossi (30, seit 2000 im Club) und Allessandro Florenzi (22, seit der Jugend im Verein), eine Mannschaft ohne Superstars an. Garcia huldigte im Oktober in der „Gazzetta dello Sport“ seinem Capitano: „Er hat uns den Weg gezeigt, dem wir folgen. Er ist einer der besten Spieler der Fußballgeschichte.“
Und Totti gab gnädig zurück: „Ich glaube, wir haben unseren Coach für die Zukunft gefunden.“ Harmonie in Rom. Unter Garcia muss der ewige Totti altersgerecht weniger Laufarbeit verrichten. Dafür bestimmt er mit gewitzten Pässen aus der Position eines spielmachenden Mittelstürmers das Tempo des Spiels. Resultat: Sechs Vorlagen, drei Tore in acht Spielen. Da kam die Konkurrenz bislang nicht mit.
Bei den Tifosi der Roma sprießen erste zarte Meisterträume. Auch wenn der SSC Neapel und Juventus Turin schon lauern. Nationalcoach Cesare Prandelli meinte jüngst: „Es ist ein fantastischer Totti. Wenn jetzt WM wäre, wäre Totti dabei.“ Der 37-Jährige selbst genießt einfach den Augenblick: „Wenn wir locker bleiben, können wir alles schaffen.“