WM-Quali gegen Ronaldo und Co. Deutsche Trainer dominieren Ungarns Fußball

Lissabon (dpa) - Der Nationaltrainer ist Deutscher, der Meistertrainer auch: Im ungarischen Fußball haben zahlreiche gute Bekannte das Sagen. In der WM-Qualifikation kommt es jetzt zum Wiedersehen mit Ronaldo und Co.

Foto: dpa

Auf den ersten Blick passt das überhaupt nicht zusammen. Das Land Ungarn wird von einer Regierung geführt, die einem stramm rechtsnationalen Kurs folgt und die eigene Nation so gut es geht abschotten will. Im Fußball aber reißt gerade dieses Land seine Türen weit auf. Am Samstagabend spielt die Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation gegen Europameister Portugal, und eines fällt vor diesem Spiel noch einmal besonders auf: Die wichtigsten Positionen im ungarischen Fußball sind mit deutschen Trainern besetzt.

Der Nationalcoach heißt Bernd Storck, er hat auch seine engsten Mitarbeiter aus der Heimat mitgebracht. Außerdem werden in der Ersten Liga sowohl der Meister Ferencvaros Budapest (Thomas Doll) als auch das Überraschungsteam Vasas Budapest (Michael Oenning) von ehemaligen Bundesliga-Trainern betreut. „An wem oder was kann man sich im Fußball orientieren, wenn nicht an Deutschland?“, fragte Andreas Möller, der Weltmeister von 1990 und Assistent von Storck, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Das Spiel Portugal gegen Ungarn gab es vor neun Monaten schon einmal. Bei der EM 2016 waren die Ungarn zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder bei einem großen Turnier dabei. Ein rasantes 3:3 in Lyon bescherte ihnen sogar den Gruppensieg vor Ronaldo und Co., doch schon kurz darauf waren die Verhältnisse wieder gerade gerückt: Storcks Team scheiterte im Achtelfinale an Belgien. Portugal gewann das Turnier.

Auch am Samstag müssen die Ungarn in Lissabon schon gewinnen, wenn sie als Tabellendritter der Qualifikations-Gruppe B noch eine Chance auf die WM-Teilnahme haben wollen. „Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung. Das ist ein Weg der kleinen Schritte“, sagte Möller. „Natürlich versuchen wir jetzt, bei jeder WM und EM dabei zu sein. Aber andere Länder haben uns viel voraus: eine Struktur, eine große Auswahl an Spielern, eine professionelle Nachwuchsausbildung. Diese Pflöcke wollen wir in Ungarn erst einsetzen.“

Die EM 2016 hatte für das Land vor allem eine Signalwirkung. „Ungarns Fußball ist im Kommen“, sagte Doll dem „Kicker“. Der ehemalige Trainer des Hamburger SV macht bei Ferencvaros im Kern das gleiche wie Storck und Möller beim Verband: Das Training professionalisieren, die Nachwuchsarbeit verbessern, die Abläufe strukturieren.

Zu diesem Zweck hat Doll den früheren Bochumer Torwart Ralf Zumdick als Co-Trainer mitgebracht und den früheren Dortmunder Talentförderer Theo Schneider zum Nachwuchskoordinator ernannt. Storck wiederum holte nach Möller und Torwarttrainer Holger Gehrke noch Michael Boris ins Land, der nach Stationen bei Schalke 04 II, SF Siegen oder dem KFC Uerdingen jetzt die U19-Auswahl Ungarns trainiert.

„Der ungarische Fußball steckte in einem sehr langen Winterschlaf“, erklärte Möller. „Der Blick war immer in die Vergangenheit gerichtet.“ Die Erinnerung an Ferenc Puskas und das Jahrhundertteam von 1954 erdrückte alle folgenden Generationen. „Dank der EM ist jetzt aber wieder eine viel größere Aufmerksamkeit da“, meinte Möller.

Dieser Erfolg habe auch das „Vertrauen in die handelnden Personen geweckt. Die Leute fragen sich: Warum schaffen die das auf einmal? Was machen die anders? Auch beim Verband erkennt man: Die hauen sich richtig rein in diese Aufgabe. Die wollen etwas entwickeln“, sagte der 49-Jährige. „Wir wollen die Gleise hier so legen, dass es auch weitergeht, wenn Bernd Storck und wir irgendwann nicht mehr da sind.“

Die deutsche Community in Ungarn ist bestens vernetzt. Thomas Doll und Lothar Matthäus trainieren dort im selben Fitnessstudio. Auch der frühere Nationalcoach lebt noch in Budapest. Matthäus, Doll und Möller spielten früher zusammen in der deutschen Nationalmannschaft. „Man muss nicht immer Trainer von Real Madrid, Manchester United oder Bayern München sein, um im Job glücklich zu sein“, bemerkte Doll.

Bleibt die Frage, wie sich das anfühlt, als Ausländer in einem Land zu leben, in dem mit Ausländerfeindlichkeit Politik gemacht wird. Und in dem der Fußball gleichzeitig von dieser Politik gefördert wird. Ministerpräsident Viktor Orban ist Fußball-Fan, das ist das eine. Aber seine Unterstützung für den Sport folgt auch einem alten Kalkül: Ausländische Trainer sollen der Nationalelf Erfolg bringen. Und dieser Erfolg dann wiederum das nationale Prestige stärken.

Möller hält es wie fast alle Sportler: Über Politik und Sport will er nicht öffentlich reden. „Wir machen die Politik nicht“, sagte er. „Hinzu kommt: Ich pendele zwischen Ungarn und Deutschland. Und in Ungarn sind alle sehr herzlich zu uns. Ich glaube, es steht mir nicht zu, diese Situation über die Köpfe der Leute zu bewerten.“