Finale DFB-Pokal: Dortmunder Abschlussball zwischen Freude und Zwist
Durch das 2:1 gegen Eintracht Frankfurt holt der BVB seinen ersten Titel seit 2012. Trainer Thomas Tuchel würde seinen Vertrag gerne erfüllen, die Trennung dürfte aufgrund von Unstimmigkeiten mit Clubchef Hans-Joachim Watzke und der Kritik aus der Mannschaft dennoch unausweichlich sein.
Berlin. Thomas Tuchel lachte, sprang in die Luft, umarmte seine Spieler herzlich. Der oft unnahbar scheinende Trainer von Borussia Dortmund ließ seiner Freude am Samstagabend im weiten Rund des Berliner Olympiastadions freien Lauf. Sein erster Titelgewinn mit dem BVB im Finale um den DFB-Pokal gegen Eintracht Frankfurt hatte Emotionen freigesetzt. Endlich einmal, mag der Tuchel-Kritiker sagen. Doch die Minuten zwischen Abpfiff und Ehrenrunde nach Pokalübergabe offenbarten, dass da ein Fußballlehrer in schwarz-gelber Kluft über Rasen und Tartanbahn lief, der sich in doppelter Hinsicht als Sieger fühlen durfte — und der fernab von unterkühlt und reserviert daherkam.
Das 2:1 (1:1) über tapfere Hessen war der erste Titel für die Dortmunder seit dem Pokaltriumph über den FC Bayern München vor fünf Jahren an gleicher Stelle. Es war der erste wichtige Titel für Marco Reus, den Vizekapitän, der mit Knieproblemen im Finale nach den ersten 45 Minuten ausschied, und nach 1965, 1989 und 2012 der vierte Sieg im deutschen Vereinspokal. Tuchel aber wirkte mit dem Pott in den Händen ein bisschen wie der Sieger in einem machtkampfähnlichen Zwist mit BVB-Boss Hans-Joachim Watzke. Das mag angesichts der augenscheinlichen Trennung beider Seiten zunächst etwas seltsam klingen, doch Watzke wird aufgrund des ersten Titelgewinns in zwei Jahren unter der Regie des 43-Jährigen letztlich nur die persönlichen Differenzen zu Tuchel als Argument vorbringen können.
„Nachdem die letzte Umarmung handgestoppt und in alle Einzelteile zerlegt wurde, haben wir uns Mühe gegeben, es besser zu machen“, sagte der Trainer mit einem Augenzwinkern über die Umarmung der beiden Alphatiere im Konfettiregen von Berlin. Und setzte dann wieder eine ernste Miene auf: „Es wird Gespräche geben. So muss es auch sein. Ich kann aber nicht sagen, wie es ausgeht. Jetzt bin ich einfach tiefglücklich für alle im Verein, die Fans und natürlich für meine Spieler.“
Der Pokalsieg des BVB hatte etwas von einem Abschlussball. Einige Schüler wie Stürmer und Siegtorschütze Pierre-Emerick Aubameyang oder Matthias Ginter verlegen ihren beruflichen Lebensmittelpunkt höchstwahrscheinlich ins Ausland, der Lehrer wird von der Leitung aus politischen Gründen vorzeitig weggelobt. Die Nacht von Berlin wischte die anstehenden Trennungen aber zumindest für einen Augenblick beiseite — schließlich bot der glanzvolle Abschluss die beste Gelegenheit, noch einmal richtig miteinander zu feiern. Sowohl in Berlin als auch gestern rund um Borsigplatz in der Heimat.
„Ich habe Vertrag und möchte den erfüllen“, antwortete Tuchel später auf die Frage nach seinem persönlichen Zukunftswunsch. „Aber ich möchte auch nicht naiv erscheinen. Es scheint, als wären die Gespräche ergebnisoffen, mindestens ergebnisoffen.“ Dass der gebürtige Schwabe gerne mit seiner Mannschaft arbeitet, steht in Dortmund außer Frage. Auch wenn die Nichtnominierung von Nuri Sahin als Ersatz für den schwer verletzten Julian Weigl in der Schaltzentrale des Mittelfelds bei Tuchels Schülern nicht gut ankam: „Ich war sehr überrascht. Wir alle wissen, welche Qualität er besitzt. Die Erklärung dafür muss der Trainer geben. Wir stehen komplett hinter Nuri“, sagte Kapitän Marcel Schmelzer, der ebenso wie Marco Reus in der Pause angeschlagen raus musste.
Hinter vorgehaltener Hand soll es bereits in den vergangenen Wochen zu kritischen Äußerungen gegenüber Fußballehrer Tuchel gekommen sein, der vor wenigen Wochen noch für sein Krisenmanagement nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus gelobt wurde — außer von Watzke, der auch in Berlin öffentlich schwieg. „Aufgrund von anonymen Berichten muss ich aber nicht meine Spieler hinterfragen oder diesem Thema noch Bedeutung zu geben. Besondere Leistungen kann es nur geben, wenn du eine Verbindung hast. Wenn zwischen Spielern und Trainern Vertrauen herrscht. Daran glaube ich ganz fest“, gab der Trainer zu Protokoll.
Die Aussagen von Schmelzer belegen jedoch, dass es im Kader Tuchel-Gegner gibt, auch wenn dieser mit seinen personellen Entscheidungen im Finale richtig gelegen haben mag. Das Ende der Zweckgemeinschaft zwischen dem BVB und seinem Trainer ist unausweichlich — der Beigeschmack ist bitter und wird auch nach der Sommerpause noch zu schmecken sein.