Wütende Hertha: „Unfassbar“ - Vorwürfe an de Carmago
Berlin (dpa) - Der Ärger über den spielentscheidenden Irrtum von Felix Brych war in Berlin auch einen Tag nach dem bitteren Pokal-K.o. noch riesengroß. Sieger Lucien Favre dagegen richtete unbeeindruckt schon alle Energie auf die neue Aufgabe.
„Klar will ich die Szene nochmal sehen. Aber es ist nicht meine erste Priorität“, sagte der Trainer von Halbfinalist Borussia Mönchengladbach nach dem heiß diskutierten 2:0 der „Fohlen“ bei Hertha BSC zum Aufreger des Spiels. „Wir müssen vor allem die positiven Dinge mitnehmen“, erklärte am Tag nach dem emotionalen Pokalfight Berlins Manager Michael Preetz: „Dass wir noch immer kotzsauer sind über die Art und Weise des Ausscheidens, wird jeder verstehen.“
Der geschockte Trainer Michael Skibbe stellte auch in einer Teamsitzung nochmals klar: „Es ist ganz, ganz bitter, dass wir durch einen unfassbaren Fehler des Schiedsrichters aus dem Pokal geflogen sind.“ Seine vierte Pleite als Berliner Chefcoach in vier Spielen reduzierte der 46-Jährige „auf einen einzigen Pfiff“ - Gladbachs Filip Daems verwandelte den geschenkten Elfmeter sicher.
„Die Berliner haben sich selbst ein bisschen ins Bein geschossen“, kommentierte Daems den Ausgang eines Cup-Viertelfinals, in dem nicht zu erkennen war, welches Team in der Liga um die Champions League und welches gegen den Abstieg kämpft. Und Borussen-Torhüter Marc-André ter Stegen schloss an: „Ein bisschen doof gelaufen für Berlin.“ Das 2:0 des Schweden Oscar Wendt in der 120. Minute war nur noch Zugabe.
Der Schocker des Tages vor 47 465 Fans wurde von allen Seiten analysiert: Der tschechische Nationalspieler Roman Hubnik war nach einem Schubser von Igor de Camargo unnötig auf Tuchfühlung an den Belgier herangelaufen - dieser sank nach einer kurzen Berührung Gesicht an Gesicht wie vom Blitz getroffen auf den Boden.
„Wenn überhaupt, war es eine Unsportlichkeit des Gegenspielers, dann wäre es Gelb-Rot für de Camargo gewesen. So ist es anders gekommen: Rot für Hubnik, Tor für Gladbach, Sieg für Gladbach“, fluchte ein aufgebrachter Skibbe: „Unfassbar, unfassbar.“
Herbert Fandel, Chef der DFB-Schiedsrichterkommission, nahm Brych in Schutz: „Trotz aller Kritik an der Schiedsrichterentscheidung darf nicht vergessen werden, dass hier ein Spieler durch seine Theatralik den Fairplay-Gedanken mit Füßen getreten hat. Das ist die Ursache.“ Hubnik wurde nach Tatsachenentscheidung dennoch für ein Pokalspiel gesperrt, gegen de Camargo kann nicht mehr ermittelt werden.
Auch wenn es Brych inzwischen leid tue, „für uns ist der Schaden viel größer als die entgangene Finalchance und Einnahmen in Millionenhöhe“, betonte ein noch immer wütender Preetz angesichts des verpassten Befreiungsschlags nach neun Ligaspielen ohne Sieg. Vier Spiele - vier Niederlagen mit Skibbe: „Wir brauchen einfach die Belohnung“, sagte Kapitän Andre Mijatovic. Im Ligaspiel am Samstag in Stuttgart fällt nach Christian Lell (Muskelverletzung) allerdings nun auch noch Fabian Lustenberger (Fußprellung) aus.
Diplomat Favre wollte sich gar nicht lange mit der ersten Halbfinal-Teilnahme seiner Borussia nach acht Jahren und vor allem mit der Schauspieleinlage von de Camargo beschäftigen. „Ich war auf eine andere Sache konzentriert und total überrascht. Ich kann es nicht beurteilen“, sagte der Schweizer zu Brychs Pfiff. „Jetzt hat schon die Vorbereitung gegen Schalke begonnen“, schloss Favre an.
Am Samstag steht in der Bundesliga der nächste Knaller für das Überraschungsteam der Saison an. Halbfinale? Vierter Platz? „Das sind nicht meine Gedanken. Ich muss schnell arbeiten“, erklärte der Gladbach-Coach mit einem Lächeln und funkelnden Augen. Nun will er am 12. Mai zum Pokalfinale in seinen ehemaligen Arbeitsort Berlin zurück.