Dunkle Lichtgestalt: Beckenbauer und der brisante Vertrag
Frankfurt/Main (dpa) - Nach Jahrzehnten als unantastbare Lichtgestalt rückt Franz Beckenbauer erstmals in die Schattenwelt des Fußballs.
Schon seit Beginn der WM-Affäre hat das makellose Image des hochverehrten Kaisers immer wieder Kratzer abbekommen - nun geht der deutsche Fußball endgültig deutlich auf Distanz zu seinem Sommermärchen-Macher. Offen wie nie zuvor forderte die vorübergehende Spitze des schwer angeschlagenen Deutschen Fußball-Bundes den Ehrenspielführer zu einer Erklärung in der WM-Affäre auf.
Indem die vorübergehenden Nachfolger des zurückgetretenen DFB-Chefs Wolfgang Niersbach die Unterschrift Beckenbauers unter ein brisantes Schriftstück vor der WM-Vergabe bestätigten, steht der 70-Jährige plötzlich im Zusammenhang mit den dunkelsten Gestalten des Geschäfts. Längst hat selbst der skandalumtoste Weltverband den früheren FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner geächtet. Nun ist zumindest bewiesen, dass es Überlegungen eines deutschen Deals mit dem gewieften Strippenzieher gab. Weitere Enthüllungen nicht ausgeschlossen.
Es sei „höchste Zeit“, dass der damalige Präsident des Organisationskomitees Stellung beziehe, formulierte DFB-Interimschef Rainer Koch. Beckenbauer müsse sich „intensiver“ in die Aufklärung der Vorgänge einbringen. Selbst als dieser fabulierte, „nicht einen einzigen Sklaven“ im hoch umstrittenen WM-Gastgeberland Katar gesehen zu haben oder von der FIFA-Ethikkommission vorübergehend gesperrt wurde, war ein solcher Ordnungsruf nie zu vernehmen gewesen.
Seit mehr als zwei Wochen ist Beckenbauer abgetaucht, nur drei dünne Statements ließ er seit Beginn des Skandals von seinem Management verbreiten. Zuletzt räumte er zwar den „Fehler“ ein, auf einen Vorschlag der FIFA-Finanzkommission eingegangen zu sein - ließ aber unzählige Fragen offen. Auch nach den neuesten erschütternden Entwicklungen wartete die deutsche Fußball-Öffentlichkeit zunächst vergeblich auf klärende Worte.
Zwar steht der frühere Weltmeister nicht im Visier der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Doch sein ramponiertes Image dürfte Beckenbauer womöglich nur mit einer vollständigen Offenbarung seines Wissens über die damaligen Vorgänge einigermaßen retten können.
Ob Fußball-Deutschland mit dem Weltmeister, Weltmeister-Trainer und WM-Beschaffer bricht, wird erst der weitere Verlauf der Affäre zeigen. Nicht auszuschließen, dass Beckenbauer mit seiner nonchalanten Art doch noch die Fans wieder auf seine Seite zieht.
Schon vor fünf Jahren erklärte er auf diese Weise ganz freimütig, wie das so läuft mit dem Geschacher um Stimmen bei einer WM-Vergabe. Der Emir von Katar sei „ein guter Freund von uns, der uns bei der Bewerbung 2006 geholfen hat“, berichtete Beckenbauer in einem Interview bei ServusTV, das zuletzt bei der Talkshow von Markus Lanz aus dem Archiv geholt wurde.
Hilfe bei einer WM-Bewerbung? Es sei nicht um Geld gegangen, beeilte sich Beckenbauer zu sagen. Der Emir habe Mohamed bin Hammam, ebenfalls stimmberechtigtes Exekutivmitglied und ebenso wie Warner inzwischen lebenslang verbannt, „angewiesen dafür zu sorgen, uns ein paar Stimmen zu besorgen. In diesen Ländern wirst du angewiesen, da gibt es keine Diskussionen, da sagt der Chef, das hast du zu tun. Und das hat er gemacht.“ So einfach ist das mit einer WM.