Baumeister Löw fügt EM-Puzzle zusammen
Ascona (dpa) - Nach der finalen Kaderauslese macht sich Baumeister Joachim Löw am malerischen Lago Maggiore mit seinen 23 EM-Arbeitern an den Feinschliff. Die Elf für den Start des Fußball-Weltmeisters in die Europameisterschaft nimmt Konturen an.
Sieben Fixkräfte für das Auftaktspiel gegen die Ukraine sind schon klar: Es sind die Weltmeister Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Sami Khedira, Toni Kroos, Thomas Müller und Mesut Özil sowie Turnierneuling Jonas Hector.
Um vier vakante Plätze gibt es im Schweizer Trainingscamp einen harten Wettbewerb. „Eine gewisse Achse - Torhüter, Innenverteidiger, Mittelfeld - ist schon wichtig für eine Mannschaft“, erklärte der Bundestrainer: „Dafür haben wir Spieler, die längere Zeit bei uns sind, die Spielweise kennen, die Führungsspieler sind.“
Die zweite Arbeitswoche in der Schweiz hatte Löw zum Feintuning erklärt. „Es ist wichtig, die Puzzle-Teile wieder mehr zusammenzufügen“, sagte Löws Assistent Marcus Sorg. Vor einer geheimen Doppelschicht im Stadio Comunale di Ascona hatte der Bundestrainer bei einer für Medien offenen Übungseinheit wertvolle Einblicke gewährt. Gut zu sehen war unter anderem, dass der ins Teamtraining eingestiegene Bastian Schweinsteiger wie beim WM-Triumph 2014 in Brasilien maximal im Turnierverlauf hilfreich werden könnte.
Laufen und Passen ging, zu einem Wettkampfspieler auf Topniveau fehlt noch viel. „Er ist absolut im Soll“, sagte Sorg über Schweinsteiger. Im athletischen Bereich attestiert der Trainerstab dem 31-Jährigen nach zwei Knieverletzungen einen guten Zustand. Wie Mats Hummels, der nach einem Faserriss in der Wade erste Laufrunden dreht, spielt der Kapitän aber keine Rolle für den EM-Auftakt am 12. Juni in Lille. „Im Laufe des Turniers kann er eine wertvolle Ergänzung sein“, sagte Sorg über den 114-maligen Nationalspieler Schweinsteiger.
Gesetzt für das Ukraine-Spiel sind Torwart Neuer, Abwehrchef Boateng, Linksverteidiger Hector, dazu im Mittelfeld Kroos und Aushilfskapitän Khedira sowie offensiv Müller und Özil. Champions-League-Sieger Kroos steigt am Donnerstag aktiv in die Vorbereitung ein. Welche vier Akteure die EM-Startformation komplettieren, hängt von der taktischen Ausrichtung gegen die Ukraine sowie der Form der Spieler ab.
„Die Qualität ist extrem vorhanden“, sagte Führungskraft Khedira zu den vielfältigen Möglichkeiten auch ohne die verletzten Dortmunder Ilkay Gündogan und Marco Reus, den der Bundestrainer wegen „massiver gesundheitlicher Probleme“ aus dem Aufgebot gestrichen hatte.
Es zeichnen sich harte Positionskämpfe ab: Nachdem Löw den Hoffenheimer Sebastian Rudy heimgeschickt hat, streiten Weltmeister Benedikt Höwedes und Turnierneuling Joshua Kimmich um die Position des rechten Verteidigers. Den Bayern-Youngster instruierte Löw auf dem Trainingsplatz gestenreich bei der Schulung in der Abwehrkette.
Löw ist bekannt dafür, Überraschendes zu wagen. „Shkodran Mustafi hat vor der WM auch keine Erfahrung gehabt und dann das eine oder andere Mal gespielt“, erinnerte Löw an die drei Einsätze von Mustafi als rechter Verteidiger in Brasilien.
Aktuell kämpft Weltmeister Mustafi mit Antonio Rüdiger um die vorläufige Vertreterrolle von Hummels im Abwehrzentrum. Der 23-jährige Rüdiger darf als Favorit für den Platz neben Boateng betrachtet werden. Den Mann vom AS Rom hat Löw in den letzten vier Länderspielen jeweils 90 Minuten aufgeboten.
Offener ist nur das Rennen um die zwei Offensivplätze neben Müller und Özil. Mario Gomez und Mario Götze konkurrieren als Spitze. „Die falsche Neun wird eine Variante sein“, sagte der klassische Mittelstürmer Gomez zur Lösung mit dem spielenden Angreifer Götze.
Löw könnte aber auch Gomez und Götze zusammen aufbieten, weil Letzterer auch in der Offensivreihe hinter der Spitze spielen kann. Für die Reus-Position links vorne kommen zudem Julian Draxler und Edeljoker André Schürrle infrage. Lukas Podolski ist Außenseiter, aber der Turnierveteran will sich aufdrängen. „Als Maskottchen bin ich nicht hierhin gekommen“, sagte er kämpferisch.
„Alle Spieler ziehen brutal mit“, erklärte Gomez zum Konkurrenzkampf. Das letzte Testspiel am Samstag (18.00 Uhr) in Gelsenkirchen gegen den EM-Teilnehmer Ungarn dürfte Löw als Simulation für den Ernstfall acht Tage später nutzen. „Das ist nochmal ein guter Test, in dem wir nach dem Dämpfer gegen die Slowakei gewisse Dinge besser machen müssen im Hinblick auf das Turnier“, sagte Schalke-Kapitän Höwedes, schränkte aber ein: „Es ist nicht das entscheidende Spiel, es geht noch nicht um wichtige Punkte.
Im Gegensatz zum 1:3 gegen die Slowaken will Löws EM-Kader unbedingt ein gutes Gefühl für die Tour de France erzeugen. Podolski, der vor zwölf Jahren gegen Ungarn debütiert hatte und am Spieltag 31 Jahre alt wird, hat seinen Wunsch für seinen siebten Turniersommer im Trainingscamp formuliert: „Das Ziel ist, Europameister zu werden!“