Bloß kein Skandal bei Franzosen
Clairefontaine (dpa) - Den kurzen Flirt von Franck Ribéry mit einer Rückkehr in die Nationalmannschaft hatte Trainer Didier Deschamps schnell beendet. Ausgerechnet Ribéry, einer der vermeintlichen Anführer des Skandals bei der WM 2010 in Südafrika.
Trainings-Boykott, Beinahe-Schlägereien. Und ein erneutes sportliches Desaster, nachdem die Équipe tricolore schon bei der EM zwei Jahre vorher sang- und klanglos ausgeschieden war. „Für mich hat das Thema Ribéry keine Aktualität“, hatte Deschamps im März betont. Dabei blieb es.
Stress, noch mehr Nebengeräusche, das kann Deschamps generell nicht gebrauchen, erst recht nicht bei der EM im eigenen Land. Und so las sich die Entscheidung, auf den derzeit statistisch erfolgreichsten Stürmer der Grande Nation, Karim Benzema, zu verzichten, seinerzeit auch wie eine Aufarbeitung des Südafrika-Skandals. „Die Fähigkeit des Spielers, sich für den Zusammenhalt in der Gruppe einzusetzen, die Vorbildlichkeit und der Schutz der Gruppe werden aber von allen Trainern des Verbandes ebenso berücksichtigt“, hieß es.
27 Tore in 81 Länderspielen, Champions-League-Sieger mit Real Madrid auf der einen Seite - die Verwicklung in eine Erpressung auf der anderen. Bezema wird beschuldigt, den Haupttätern als Komplize geholfen zu haben, Nationalmannschaftskollege Mathieu Valbuena zu erpressen. Falls der Profi von Olympique Lyon nicht 150 000 Euro zahlen würde, sollte ein Sexvideo veröffentlicht werden.
Beide - eigentlich gesetzte Spieler - für die EM zu nominieren schien unmöglich, nur einen wiederum schwierig. Keiner wurde es. Valbuena will sich erst nach der EM öffentlich äußern, Benzema zettelte vor dem Eröffnungsspiel am Freitag im Stade de France von Saint-Denis gegen Rumänien eine Rassismus-Diskussion an. Er behauptete, der Nationaltrainer habe sich dem rassistischen Teil Frankreichs gebeugt. Nun wurde auch noch Deschamps' Wohnhaus in Concarneau mit dem Wort „Rassist“ beschmiert.
Deschamps will Ruhe und eine Einheit auf dem Platz im EM-Quartier in Clairefontaine. Seit dem Viertelfinal-Aus in Brasilien - damals mit Benzema und Valbuena - haben die Franzosen kein Pflichtspiel mehr bestritten. Mit vier Siegen im EM-Jahr sammelte die Mannschaft dennoch jede Menge Selbstvertrauen, zumal mit dem 3:0 zuletzt gegen Schottland endlich auch eine Partie ohne Gegentor gelang.
Im Mittelfeld der Franzosen gilt Kingsley Coman als potenzieller sportlicher Nachfolger seines Münchner Vereinskollegen Ribéry. Und vorne hat Olivier Giroud die Rolle von Torjäger von Benzema ange- und übernommen, insgesamt vier Tore in den vier Spielen 2016 können sich sehen lassen. Dennoch hat er es nicht leicht in Frankreich.
Beim Spiel gegen Kamerun wurde der Angreifer vom FC Arsenal sogar ausgepfiffen. „Ich werde immer kritisiert“ sagte er der „L'Équipe“. Ob er womöglich Benzemas Abwesenheit "bezahle"? „Ich denke schon, da muss man sich nichts vormachen.“