Schiedsrichter Brych freut sich auf EM-Premiere

Frankfurt/Main (dpa) - Wörterbücher zum besseren Verstehen von Spielerflüchen hat Felix Brych für seine EM-Premiere nicht eingepackt. Dafür paukte Deutschlands Top-Schiedsrichter vor seiner Abreise fleißig die neuen Fußball-Regeln.

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Denn bei seiner ersten EM-Endrunde will sich der 40-jährige Münchener gemeinsam mit seinen Assistenten Mark Borsch und Stefan Lupp sowie den Torrichtern Bastian Dankert und Marco Fritz von seiner besten Seite präsentieren. „Am meisten freue ich mich auf den Fußball. Ich möchte auf dem Platz stehen und möglichst viele Spiele pfeifen. Wir wollen gut performen“, erklärt Brych. „Ich will die Zeit genießen.“

Der Wunsch nach einem Einsatz im Endspiel kommt ihm aber nicht über die Lippen. „Das Finalziel wäre für einen Schiedsrichter eine Utopie, weil für uns so viele Faktoren eine Rolle spielen, die wir gar nicht beeinflussen können. Deshalb kann ich gar nicht mit solch einem Ziel in ein Turnier gehen“, sagt er.

Als Jurist dürfte ihm das Verinnerlichen der insgesamt 95 Regelneuerungen nicht allzu schwer gefallen sein. „Die wichtigste Regel wird die Dreifachbestrafung im Strafraum sein. Ich muss entscheiden, ob ich Gelb oder Rot ziehe, den Spieler vom Platz stelle oder nicht“, erklärt Brych. Schlaflose Nächte hat er deshalb nicht: „Wir werden mit Sicherheit noch einmal geschult. Stress habe ich deswegen keinen.“

Ohnehin gibt sich Brych ganz cool. Für ihn ist es zwar die erste EM, aber beileibe nicht der erste Auftritt auf der ganz großen Fußball-Bühne. 2012 war er bei den Olympischen Spielen in London im Einsatz, 2014 bei der WM in Brasilien. Im selben Jahr leitete er auch das Europa-League-Finale FC Sevilla gegen Benfica Lissabon.

Ein anderes einschneidendes Karriere-Erlebnis hatte Brych einige Monate zuvor in der Bundesliga, als er Stefan Kießlings Phantomtor anerkannte und Bayer Leverkusen damit einen irregulären 2:1-Sieg in Hoffenheim ermöglichte. „Das beschäftigt mich gar nicht mehr“, versichert Brych glaubhaft.

Angst vor einer so krassen Fehlentscheidung muss er bei der EURO nicht haben. Wie bei der WM vor zwei Jahren kommt in Frankreich die Torlinientechnik zum Einsatz. „Wir freuen uns über jedes technische Hilfsmittel“, betont Brych. In der Bundesliga hat er damit am letzten Spieltag der Saison in Hoffenheim gute Erfahrungen gemacht. „Da ging es um acht Millimeter. Das hätte niemand mit dem bloßen Auge erkennen können. Da hat uns die Technik sehr geholfen“, sagt Brych.

Das EM-Erlebnis will sich der zweimalige Schiedsrichter des Jahres durch nichts und niemanden vermiesen lassen. Selbst das seit den Anschlägen von Paris im November 2015 heiß diskutierte Thema Terrorgefahr blendet er weitgehend aus. „Das ist bei mir nachrangig. Ich bin hauptsächlich mit meinem Team im Camp und in den Stadien. Da mache ich mir persönlich überhaupt keine Sorgen“, sagt Brych.

Er freut sich vielmehr auf eine „schöne Zeit“ mit seinem Team und den internationalen Kollegen, mit denen er in einem Vorort von Paris untergebracht ist. „Die meisten kenne ich schon viele Jahre. Wir verstehen uns gut. Man muss natürlich schauen, dass man sich nicht gegenseitig auf die Nerven geht. Aber das klappt eigentlich ganz gut, wenn man sich seine Freiräume schafft“, berichtet er von seinen Erfahrungen aus der Vergangenheit.

Die sollen ihm auch im Umgang mit den Profis helfen. Immerhin hat der 2007 zum FIFA-Schiedsrichter beförderte Bayer in seiner Karriere schon 39 Länderspiele und 57 Europapokalspiele geleitet. Da falle die Verständigung, die in der Regel auf Englisch erfolgt, relativ leicht. „Schimpfwörter in den verschiedenen Sprachen lerne ich nicht“, versichert Brych lächelnd und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Es wird auch gar nicht so viel geschimpft, denn die Spieler brauchen ihre Luft zum Laufen.“