Coach Blochin wieder Hoffnungsträger der Ukraine

Kiew (dpa) - Die Hoffnungen von 46 Millionen Ukrainern auf den Schultern, aber dennoch demonstrativ locker. Vor dem mit Spannung erwarteten Auftaktspiel von Fußball-EM-Co-Gastgeber Ukraine gegen Schweden in Kiew zeigte sich Nationaltrainer Oleg Blochin breit lächelnd.

Dabei hatte der 59-Jährige zuvor gejammert: „Ich werde wohl nicht schlafen können und Videos studieren.“ Doch von Nervösität war vor der Partie am Montagabend keine Spur. „Ich weiß, was das Land von mir erwartet. Aber wie es in mir aussieht, braucht keinen zu interessieren“, hatte Blochin erinnert. Und angefügt: „Ich war ein unberechenbarer Spieler. Heute bin ich ein unberechenbarer Trainer.“

Die ukrainische Fußball-Legende Blochin bedeutet vielen Menschen in der Ex-Sowjetrepublik das, was Franz Beckenbauer in Deutschland ist. Es war abzusehen, dass der Verband in Kiew irgendwann den Mann mit den streng zurückgekämmten Haaren zum Nationalcoach ernennt - und das schon zum zweiten Mal. Während seiner ersten Amtszeit führte er die Mannschaft in den blau-gelben Trikots bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland überraschend ins Viertelfinale, wo sich der spätere Titelträger Italien als zu stark erwies. Statt traurig über das Ausscheiden zu sein, bereiteten die Fans zwischen Lwiw und Donezk dem Team einen begeisterten Empfang. Und Blochin wurde endgültig zu einer Ikone.

Vor dem so wichtigen Schweden-Spiel feierten rund 5000 Anhänger den Trainer und das Team um Kapitän Andrej Schewtschenko bei einem öffentlichen Training im Dynamo-Stadion von Kiew. Der 21-jährige Sänger Alexej Kusnezow, Gewinner einer TV-Castingshow, schmetterte die Nationalhymne, und die noch kurz zuvor in Ingolstadt unter einer angeblichen „Vergiftung“ leidenden Stars um Anatoli Timoschtschuk drehten ihre Runden. Nur Blochin stand allein im Anstoßkreis und schien zu überlegen, wie er Schweden schlagen könnte. „Die Medien sagen, dass der Verlierer praktisch ausgeschieden ist, denn die anderen Gruppengegner England und Frankreich seien zu stark. Lassen Sie uns erst mal spielen“, beschied er die Skeptiker.

Vor drei Wochen hatte Blochin mit dem Tod seiner Mutter einen Schicksalsschlag hinnehmen müssen. Jekaterina Adamenko, einst eine Spitzenathletin, war am 21. Mai im Alter von 93 Jahren gestorben. Ob das die EM-Vorbereitung stört? „Schreiben Sie lieber, dass Andrej Schewtschenko zum dritten Mal Vater wird“, heißt es vonseiten des Fußballverbands. Und auch Blochin, indirekt darauf angesprochen, nimmt nur einen tiefen Zug aus der Zigarette.

Als Spieler bestritt er 101 Spiele für die Sowjetunion und schoss 35 Tore. Mit Dynamo Kiew gewann Europas Fußballer des Jahres 1975 den Europapokal der Pokalsieger und den Supercup - gegen Bayern München. Auch damals seien sie Außenseiter gewesen, sagt Blochin. „Vor der WM 2006 hat man mich für verrückt erklärt, als ich sagte, dass wir die Gruppenphase überstehen. Aber ich habe bewiesen, dass es geht.“ Warum also nicht den großen Traum träumen: Europameister im eigenen Land, am 1. Juli im Finale in Kiew? Dazu müsse viel zusammenlaufen, räumt Blochin ein. „Aber wir können es schaffen.“